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Open Access 18.04.2024 | Strahlentherapie | Literatur kommentiert

Radiotherapie plus Durvalumab beim lokal fortgeschrittenen NSCLC: die DOLPHIN-Studie

verfasst von: Dr. Maike Trommer

Erschienen in: Strahlentherapie und Onkologie

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Gender Disclaimer: Die in dieser Arbeit verwendeten Personenbezeichnungen beziehen sich – sofern nicht anders kenntlich gemacht – auf alle Geschlechter. Die DOLPHIN-Studie im Speziellen schloss 89% männliche Patienten ein.

Originalpublikation

Tachihara M, Tsujino K, Ishihara T et al (2023) Durvalumab Plus Concurrent Radiotherapy for Treatment of Locally Advanced Non-Small Cell Lung Cancer. JAMA Oncology 9(11):1505–1513. https://​doi.​org/​10.​1001/​jamaoncol.​2023.​3309.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund
In der PACIFIC-Studie wurde erstmals eine Verbesserung der Überlebensraten für fortgeschrittene nichtkleinzellige Bronchialkarzinome (NSCLC) im Stadium III durch eine Erhaltungstherapie mit dem Immuncheckpointinhibitor (ICI) Durvalumab nach simultaner Radiochemotherapie (RCT) gezeigt; diese Behandlung gilt seitdem als Standard [4]. Allerdings ist die Kombinationstherapie bei 20–30% der Patienten nicht möglich, oft wegen Unverträglichkeit einer Chemotherapie [8]. Da sich die Gabe von Durvalumab möglichst zeitnah nach der Bestrahlung als sehr effektiv erwiesen hat und die Kombination von Radio- und ICI-Therapie (RT-ICI) als synergistisch gilt, könnte Bestrahlung mit gleichzeitiger und anschließender Durvalumabgabe, ohne zusätzliche Chemotherapie, ein möglicher Lösungsansatz für diese Patienten sein; dies wurde in der DOLPHIN-Studie geprüft [2].
Methodik
Die nichtrandomisierte, einarmige DOLPHIN-Studie ist eine multizentrische, an 12 japanischen Instituten durchgeführte Phase-II-Studie, in der die Effektivität und Sicherheit einer Kombination aus Radiotherapie (RT) und simultan sowie sequenziell verabreichtem Durvalumab bei Patienten mit Programmed-death-ligand-1(PD-L1)-positivem, inoperablem, lokal fortgeschrittenem NSCLC untersucht wurde. Die RT erfolgte als „three-dimensional conformal radiation therapy“ (3-D-CRT) oder „intensity-modulated radiation therapy“ (IMRT) mit 60 Gy in 30 Fraktionen. Kombiniert wurde die RT mit einer zusätzlichen Durvalumabgabe (10 mg/kg) alle zwei Wochen während der RT-Serie. Nach Beendigung der Bestrahlung erfolgte eine Erhaltungsimmuntherapie mit Durvalumab (10 mg/kg) für insgesamt 12 Monate bzw. bis zum Tumorprogress oder Auftreten von inakzeptablen Nebenwirkungen. Einschlusskriterien waren unter anderem ein guter Allgemeinzustand, ein histologisch gesicherter Nachweis von NSCLC, ein lokal fortgeschrittenes Stadium (UICC III) oder ein Rezidiv nach Operation mit kurativ intendierter RCT und PD-L1-TPS („tumor proportion score“) von 1% und höher. Die Studie wurde von September 2019 bis Oktober 2022 durchgeführt. Primärer Endpunkt war das 12-Monats-PFS, sekundäre Endpunkte beinhalteten PFS, OS, objektive Ansprechrate, Toxizität, Behandlungsabschlussrate („treatment completion rate“), Zeit bis zum Tod oder Fernmetastasen und Ansprechrate („disease control rate“). Nebenwirkungen wurden analog den Common Terminology Criteria of Adverse Events (CTCAE) Version 5.0 erhoben.
Ergebnisse
35 Patienten im Alter von 44 bis 83 Jahren, 31 davon männlich, wurden rekrutiert und ausgewertet. 26 Patienten hatten ein inoperables NSCLC im Stadium UICC IIIA–IIIC und 9 Patienten postoperative Rezidive. 33 Personen wurden hinsichtlich der Effektivität und 34 hinsichtlich der Sicherheit der RT-ICI-Kombination analysiert (ein Patient konnte keine Behandlung erhalten, ein Patient wurde aufgrund eines nachträglichen „up-staging“ in Stadium IV ausgeschlossen).
Die geplante RT konnten 97 % der Patienten beenden; die objektive Ansprechrate war 91 %. Es gab keinen Progress in der Phase der simultanen Therapie. Insgesamt konnten 58 % die Gesamtbehandlung (RT-ICI) abschließen, wobei 11 Personen eine vollständige und 5 eine partielle Remission aufwiesen. Die PFS-Rate nach 12 Monaten (primärer Endpunkt) lag bei 72 %. Hinsichtlich der Nebenwirkungen hatten 53 % Nebenwirkungen von CTCAE-Grad 3 oder 4. Zwei Patienten entwickelten eine Nebenwirkung von CTCAE-Grad 5: ein Patient erlitt im Rahmen des Krankheitsprogresses eine bronchioösophageale Fistel in Bestrahlungslokalisation, ein weiterer eine bronchiale Infektion im Rahmen einer Steroidtherapie und Thrombozytopenie. Unabhängig vom Schweregrad wurde bei 68% der Patienten eine Pneumonitis festgestellt, davon bei 12 % CTCAE-Grad 3 oder 4. Bei 35 % konnte die Therapie nicht nach Protokoll abgeschlossen werden.
Schlussfolgerung der Autoren
Die Strahlentherapie mit simultaner und adjuvanter Behandlung mit Durvalumab erwies sich in der DOLPHIN-Studie als vielversprechende Behandlungsmethode mit tolerablen Nebenwirkungen bei PD-L1-positivem, inoperablem, lokal fortgeschrittenem NSCLC.

Kommentar

Die PACIFIC-Studie prüfte als erste Studie die Kombination aus Radiochemo- und Immuntherapie bei Patienten mit NSCLC im UICC-Stadium III mit großem Erfolg. Die Gabe von Durvalumab nach vorheriger RCT verbesserte nicht nur das PFS, sondern auch das OS. Seither gilt diese Art der Behandlung als Standard [1]. Da jedoch fast ein Drittel der Patienten aufgrund von zu starken Nebenwirkungen der RCT kein Durvalumab erhalten kann [3], untersuchte man in der DOLPHIN-Studie die Kombination aus RT mit simultaner und adjuvanter Durvalumabgabe; gegenüber der PACIFIC-Studie wurde also die simultane Chemotherapie während der Radiotherapie ersetzt durch eine simultane Therapie mit Durvalumab. Die in der DOLPHIN-Studie erreichten Ergebnisse hinsichtlich der Progressionsfreiheit sind praktisch identisch mit denen im Durvalumaberhaltungsarm der PACIFIC-Studie und daher ermutigend. Dieses Therapiekonzept könnte zukünftig für Patienten mit Kontraindikationen gegen eine platinhaltige Chemotherapie oder erhöhtem Risiko eine effektive Systemtherapie bieten.
Plausibel ist dieses Konzept nicht nur wegen des inzwischen weitgehend anerkannten Synergismus zwischen RT und Immuntherapie [3]. Die lokale RT interagiert mit dem Immunsystem über Aktivierung von antigenpräsentierenden Zellen. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die RT die Wirkung von ICI auf systemische Antitumorreaktionen verstärkt, indem sie fast alle Schritte des Cancer-immunity-Zyklus beeinflusst. Die RT kann „kalte“ Tumoren, die durch eine geringe Immunzellinfiltration gekennzeichnet sind, in „heiße“ Tumoren mit Lymphozyteninfiltration umwandeln. Diese immunmodulatorischen Effekte bilden die Grundlage für das verbesserte Ansprechen auf die ICI und eine kombinierte therapeutische Strategie [4]. Gerade beim NSCLC scheint dieser Effekt klinisch besonders ausgeprägt zu sein [5]. Auch klinische Daten anderer Studien weisen in diese Richtung. Chang et al. zeigten in einer randomisierten Studie die Überlegenheit einer stereotaktischen RT („stereotactic body radiation therapy“ [SBRT]) in Kombination mit dem ICI Nivolumab gegenüber einer alleinigen SBRT bei NSCLC im Stadium UICC I–II [6].
Einige Aspekte sind jedoch kritisch anzumerken. Die geringe Patientenzahl macht die Studie anfällig für Bias. Auch die Tatsache, dass nur ca. 11% (n = 4) Frauen eingeschlossen wurden, schränkt die Übertragbarkeit auf die Gesamtpopulation ein. Die Einschlusskriterien bzgl. des PD-L1-Status waren strikter als in PACIFIC; in der PACIFIC-Studie hatten knapp 20% der Patienten eine PD-L1-Expression < 1%, und diese Gruppe profitierte nicht. Diese Selektion könnte die Ergebnisse in der DOLPHIN-Studie begünstigt haben. Auch die zwei tödlichen Komplikationen sowie die relativ hohe Rate schwerer Pneumonitiden geben zu denken. Daher muss die Nichtunterlegenheit des Konzepts dieser einarmigen Studie durch randomisierte Studien bestätigt werden.

Fazit

Auch wenn noch viele Fragen zur optimalen Kombination von RT und ICI in der Behandlung von NSCLC offen sind, zeigt sich zunehmend, dass die Kombination von RT mit simultaner und adjuvanter Durvalumabgabe eine vielversprechende Therapieoption darstellt. Weltweit laufen weitere Studien, wie PACIFIC IV [7] oder SCION [8], die die Wirkung von Durvalumab in Kombination mit definitiver RT untersuchen.
Maike Trommer, Köln/Melbourne

Förderung

Maike Trommer wird gefördert durch das Köln Fortune Programm, Medizinische Fakultät, Universität zu Köln, Grant Number 121/2023.

Interessenkonflikt

M. Trommer gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
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Strahlentherapie und Onkologie

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•Übersichten, Originalien, Kasuistiken

•Kommentierte Literatur aus der Radioonkologie, Strahlenbiologie und -physik

Literatur
Metadaten
Titel
Radiotherapie plus Durvalumab beim lokal fortgeschrittenen NSCLC: die DOLPHIN-Studie
verfasst von
Dr. Maike Trommer
Publikationsdatum
18.04.2024
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Strahlentherapie und Onkologie
Print ISSN: 0179-7158
Elektronische ISSN: 1439-099X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00066-024-02231-9

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