Sutimlimab – Hemmung der chronischen Hämolyse bei Kälteagglutinin-Krankheit

Sutimlimab von Sanofi ist ein monoklonaler Immunglobulin- G4 (IgG4)-Antikörper zur Behandlung der hämolytischen Anämie bei Erwachsenen mit Kälteagglutinin-Krankheit. Er hemmt die autoimmunbedingte Zerstörung von Erythrozyten. Dadurch kann die Lebensqualität steigen und die Krankheitsrisiken können abnehmen. Sutimlimab bindet den Komplementfaktor C1 und verhindert so die chronische Hämolyse, die bei der Kälteagglutinin-Krankheit durch eine IgM-Autoantikörper-vermittelte Aktivierung des Komplementsystems ausgelöst wird. Sanofi × >>Mehr zum Galenus-von-Pergamon-Preis Kälteagglutinine sind monoklonale, im Blut zirkulierende IgM-Autoantikörper, die bei Temperaturen unter 37 ° C zur Verklumpung von Erythrozyten führen. Die Kälteagglutinin-Krankheit (Cold Agglutinin Disease, CAD) ist eine seltene, chronische, autoimmun-hämolytische Anämie, bei der IgM-Autoantikörper an Oberflächenantigene körpereigener Erythrozyten binden und dadurch Agglutination und meist extravasale Hämolyse hervorrufen. Der IgM-Antigen-Komplex triggert den klassischen Weg des Komplementsystems über eine Aktivierung von C1, was letztlich zum beschleunigten Abbau von Erythrozyten in der Leber führt. Von CAD Betroffene leiden unter chronischer Hämolyse und häufig unter Anämie, Fatigue sowie akuten hämolytischen Krisen. Das Risiko für Thrombose, Lungenembolie und das Koronarsyndrom ist erhöht, einhergehend mit einem erhöhten Sterberisiko. Die CAD manifestiert sich meist ab dem 60. Lebensjahr. Erste spezifische Therapie bei CAD Sutimlimab (Enjaymo®) ist ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der sich spezifisch gegen den Komplementfaktor C1 richtet, den ersten Schritt in der Aktivierung des klassischen Wegs der Komplementkaskade. Es handelt sich bei dem im Januar 2023 in Deutschland eingeführten Antikörper um die bislang einzige spezifische Therapie für Menschen mit CAD. Die Europäische Arzneimittelagentur hat Sutimlimab den Orphan-Drug-Status zuerkannt. Der Wirkstoff wird in den ersten zwei Wochen wöchentlich und danach alle zwei Wochen intravenös infundiert. Vorgesehen ist die kontinuierliche Anwendung als chronische Therapie. In den Zulassungsstudien führte diese Behandlung zu rasch ansteigenden Hämoglobin (Hb)-Werten. Anämie und Fatigue nahmen ab, der Transfusionsbedarf reduzierte sich. Zudem wurden im gesamten Studienzeitraum von 26 Wochen keine thromboembolischen Ereignisse beobachtet. Hb-Wert steigt ab Woche eins an An der offenen und einarmigen multizentrischen Studie CARDINAL nahmen 24 Personen mit CAD teil, die mindestens 18 Jahre alt waren, einen mittleren Hb-Wert von 8,6 g/dl aufwiesen und in den sechs Monaten zuvor eine Bluttransfusion benötigt hatten [1]. Sie erhielten an Tag null und Tag sieben Sutimlimab intravenös sowie danach alle zwei Wochen bis Woche 26, gefolgt von einer Extensionsphase zur weiteren Einschätzung der Therapiesicherheit. 15 Patienten (62,5 Prozent) erreichten Hb-Werte von ≥ 12 g/dl oder einen Anstieg um mindestens 2 g/dl; 17 Patienten (71 Prozent) benötigten von Woche fünf bis Woche 26 keine Bluttransfusionen mehr. Die Hb-Spiegel verbesserten sich bereits nach der ersten Sutimlimab-Dosis im Mittel um ≥ 1 g/dl. Nach der dritten Behandlungswoche konnte bei 15 Studienteilnehmenden ein mittlerer Anstieg um ≥ 2 g/dl festgestellt werden, bei acht ein mittlerer Anstieg um ≥ 3 g/dl. Danach blieben die Hb-Spiegel bis Studienende stabil bei > 11 g/dl. Zugleich normalisierte sich der zu Studienbeginn erhöhte Gesamtbilirubin-Spiegel. Mit der Sutimlimab-Behandlung war es möglich, innerhalb von einer Woche die Aktivierung der klassischen Komplementkaskade anhaltend und nahezu vollständig zu hemmen. Das korrelierte mit den verbesserten Hb- und Bilirubin-Werten sowie mit dem FACIT Fatigue-Score. Dieser Score besserte sich in der ersten Behandlungswoche um klinisch relevante 7,5 Punkte; nach 26 Wochen waren es 10,9 Punkte. CADENZA bestätigt Ergebnisse Auch CAD-Betroffene, die in den sechs Monaten vor der Behandlung keine Bluttransfusion benötigt hatten, können von Sutimlimab profitieren, wie aus der CADENZA-Studie hervorgeht [2]. 42 Erwachsene ohne Transfusionsbedarf waren im Verhältnis 1:1 in den Sutimlimab- oder in den Placebo-Arm randomisiert worden. 13 von 22 Patienten (73 Prozent) erreichten den primären kombinierten Endpunkt (Verbesserung des Hb-Werts um > 1,5 g/dl, keine Transfusion, keine weitere Medikation) im Vergleich zu drei von 20 Patienten im Kontrollarm (15 Prozent). Insgesamt bestätigten die Ergebnisse aus CADENZA die Ergebnisse aus CARDINAL. Das traf auch auf die Daten zu Sicherheit und Verträglichkeit zu. Die in den Studien am häufigsten berichteten Nebenwirkungen waren Kopfschmerzen, Hypertonie, Harnwegsinfektion, Infektion der oberen Atemwege, Nasopharyngitis, Übelkeit und Abdominalschmerzen. Weiterhin können ein Raynaud-Phänomen und Akrozyanose auftreten. Schwerwiegende Infektionen traten bei zehn der 66 in beiden Studien Behandelten auf (15,2 Prozent). Laut Fachinformation kann die regelmäßige Infusion von Sutimlimab als Heimbehandlung erwogen werden, wenn die vorangegangenen Infusionen gut vertragen wurden, die Patientinnen und Patienten keine infusionsbedingten Reaktionen gezeigt haben und deren individuelle klinische Merkmale sowie Bedürfnisse berücksichtigt werden. (ner) Sutimlimab blockiert Aktivierung der Komplementkaskade Sutimlimab ist ein monoklonaler Immunglobulin-G4 (IgG4)-Antikörper. Er bindet spezifisch an die Subkomponente s des Komplementfaktors 1 (C1s) und verhindert so die Aktivierung der Komplementkaskade. Diese spielt bei der Kälteagglutinin-Krankheit eine zentrale Rolle: Kälteagglutinine (IgM-Autoantikörper) binden an Oberflächenantigene der körpereigenen Erythrozyten und triggern so den klassischen Weg des Komplementsystems über eine Aktivierung von C1. Die Hemmung der klassischen Komplementkaskade verhindert, dass sich Komplementopsonine auf der Oberfläche von Erythrozyten ablagern und diese infolgedessen agglutinieren und in der Leber phagozytiert werden. Die Hämolyse wird inhibiert, wodurch erniedrigte Hämoglobinwerte ansteigen und sich normalisieren können. Mit der Sutimlimab-Behandlung wird außerdem die Bildung der proinflammatorischen Anaphylatoxine C3a und C5a sowie des nachgeschalteten Membranangriffskomplexes aus C5b-C9 verhindert. Die Aktivitäten des Lektin- und des alternativen Aktivierungswegs werden von Sutimlimab nicht gehemmt. Tradition mit französischen, deutschen und amerikanischen Wurzeln Branche: Der heutige Sanofi-Konzern ging 2004 aus der Fusion der französischen Sanofi-Synthélabo-Gruppe mit dem Hoechst-Nachfolger Aventis hervor. Mit der Übernahme des US-Spezialisten für Orphan Drugs, Genzyme, kam 2011 Kompetenz für seltene Erkrankungen hinzu. Das Unternehmen vermarktet verschreibungspflichtige Originale, Impfstoffe sowie verschreibungsfreie Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel. Schwerpunkte des Pharma-Portfolios sind neurologische, immunologische und onkologische Erkrankungen. In der Hoechst-Tradition spielt zudem Insulin eine wichtige Rolle. In Deutschland ist Sanofi mit 7.750 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an drei Standorten (Frankfurt am Main, Köln und Berlin) vertreten. Umsatz und Gewinn: 2022 erwirtschaftete der Konzern rund 43 Milliarden Euro und kam nach Steuern auf 6,8 Milliarden Euro Überschuss. Zugpferd war erneut der rekombinante Immunmodulator Dupilumab (Dupixent®, u. a. gegen schweres Asthma und Neurodermitis), auf dessen Konto im Berichtsjahr bereits 20 Prozent der Gesamteinnahmen gingen. F&E-Ausgaben: Mit 6,7 Milliarden Euro wurde 2022 rund eine Milliarde mehr in die Produktentwicklung investiert als im Jahr zuvor. Pipeline: Aktuell berichtet der Konzern von 82 klinischen Studien unter seiner Ägide, davon 26 in Phase III. Unter anderem wird an Indikationserweiterungen für Dupilumab oder den Myelom-Antikörper Isatuximab (Sarclisa®) gearbeitet. Darüber hinaus werden als wichtige fortgeschrittene Studienprojekte etwa der BTK-Inhibitor Tolebrutinib (gegen verschiedene Formen der MS) genannt sowie das RNA-Therapeutikum Fitusiran, das gegen Hämophilie A und B entwickelt wird. (cw) Quelle: ÄrzteZeitung

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