Die Hüftkopfzirkulation schonende, anatomische Reposition und sichere Stabilisierung von Schenkelhalsfrakturen im Kindesalter über einen transglutealen Zugang.
Präparation eines Muskellappens durch Ablösen des proximalen M. vastus lateralis inklusive des anterolateralen Anteils des M. glutaeus medius vom proximalen Femur respektive Trochanter major. Ablösen des glutaeus minimus von der Gelenkkapsel und Weghalten nach dorsal, ohne die Insertion des Muskels vollständig abzulösen. Die anterolaterale Gelenkkapsel kann nun vollständig exponiert werden. Arthrotomie der Gelenkkapsel und Darstellen des Schenkelhalses. Unter Sicht nun vorsichtige, kontrollierte Reposition der Fraktur unter Schutz der retinakulären Gefäße.
Weiterbehandlung
Mobilisation an Gehstöcken. Abstellen des Fußes erlaubt. Zur vollständigen Anheilung der Hüftabduktoren sollte eine aktive Abduktion sowie passive Adduktion für 4 bis 6 Wochen (je nach Alter des Patienten) vermieden werden.
Ergebnisse
In der eigenen Klink zeigten sich in den letzten 10 Jahren exzellente Ergebnisse bei 29 Patienten nach Behandlung von kindlichen Schenkelhalsfrakturen mit diesem Operationszugang. Eine operationsbedingte Femurkopfnekrose trat nicht auf.
Hinweise
Redaktion
D.C. Wirtz, Bonn
Zeichnungen
R. Himmelhan, Mannheim
Vorbemerkungen
Schenkelhalsfrakturen im Kindesalter weisen eine niedrige Inzidenz von 1 bis 2 Frakturen pro Jahr auf, was sich auch in etwa mit den persönlichen Erfahrungen der Autoren über die letzten Jahre deckt [1, 2]. Das bedeutet, dass Schenkelhalsfrakturen in etwa 0,3–0,5 % aller Frakturen bei Kindern vorkommen. Trotz oder gerade wegen des relativ seltenen Auftretens dieser Frakturen ist die Durchführung einer korrekten Behandlung umso wichtiger, da die insuffiziente Behandlung mit konsekutiver Fehlstellung, Hüftsteife bis hin zur Notwendigkeit einer Hüftprothese für den jungen Patienten schwerwiegende Folgen im weiteren Leben hinsichtlich sozialer Integrität (Sport, Freizeit) oder auch Berufswahl haben kann. Um eine möglichst komplikationsarme Behandlung zu ermöglichen, sollte die operative Reposition von Schenkelhalsfrakturen beim Kind analog zur Behandlung des Erwachsenen so schnell wie möglich erfolgen [3]. Die am meisten gefürchtete Komplikation ist die Femurkopfnekrose durch eine Schädigung der Hüftkopfdurchblutung durch das Trauma selbst oder durch eine unkontrollierte, meist geschlossene Reposition oder aber auch durch eine Überreposition mit sekundärer Schädigung der hüftkopfversorgenden Gefäße [4]. Die Behandlung von Schenkelhalsfrakturen im Kindesalter mittels transglutealen Zugangs gewährt eine exzellente Übersicht, sodass eine anatomische Reposition der Fraktur unter Erhaltung der Femurkopfdurchblutung möglich ist. Die Fixation der Fraktur kann alternativ mittels Schrauben, Drähten oder einer Platte erfolgen. Schenkelhalsfrakturen bei Kindern können ebenfalls durch die AO (Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthesefragen) Pediatric Comprehensive Classification of Long-Bone Fractures (PCCF) klassifiziert werden [5].
Operationsprinzip und -ziel
Exposition des Oberschenkelhalses durch Präparation eines Muskellappens/Sehnenlappens bestehend aus dem proximalen Anteil des M. vastus lateralis inklusive des anterolateralen Anteils des M. glutaeus medius. Ablösen des M. glutaeus minimus von der Gelenkkapsel und Weghalten mittels eines tiefen, gerundeten Hakens nach dorsal, ohne die Insertion des Muskels am Trochanter major dabei vollständig abzutrennen. Die anteriore sowie inferiore (entlang des Kalkars) Gelenkkapsel kann nun vollständig exponiert werden. Bei intraartikulären Frakturen T‑förmige Arthrotomie der Gelenkkapsel und Darstellen des Schenkelhalses respektive der Fraktur. Unter Sicht kann nun eine vorsichtige, kontrollierte Reposition der Fraktur unter Schutz der retinakulären Gefäße erfolgen. Das Grundprinzip besteht in der Simulation eines Trochanter-Flip-Zuganges, ohne den Trochanter zu osteotomieren. Dies sollte absolut vermieden werden, da sonst die Stabilität der Plattenosteosynthese gefährdet wird.
Anzeige
Vorteile
Darstellung des Schenkelhalses/Hüftgelenkes bei intraartikulär gelegenen Frakturen
Exzellente Übersicht der Fraktur, besonders im Kalkarbereich
Anatomische Reposition unter Visualisierung der Fraktur
Schonung der hüftkopfversorgenden Blutgefäße durch Vermeidung einer Überreposition oder unkontrollierten Manipulation
Visuelle Kontrolle der Hüftkopfzirkulation durch Anbohren mittels 1,0-mm-Bohrers
Nachteile
Aufwendiger Zugang mit relativ großer Operationsnarbe
Ablösen von Muskeln mit der Gefahr des Kraftverlustes
Eröffnen des Gelenkes bei intraartikulären Frakturen mit Gefahr von intraartikulären Verwachsungen
Erfordert größere Erfahrung in der Hüftchirurgie und exakte Kenntnisse der Anatomie
Indikationen
Dislozierte Schenkelhalsfrakturen AO 31-M/2.1I-III; 31-M/3.1 I‑III; 31-M/3.2 I‑III [4]
Plattenosteosynthese (z. B. LCP Pediatric Hip Plate, Depuy Synthes, Zuchwil, Schweiz)
Kanülierte Schrauben (eher nicht empfohlen)
Bildwandler
Anästhesie und Lagerung
Intubationsnarkose inklusive vollständiger Muskelrelaxation des Patienten bis zur definitiven Fixation der Fraktur
Seitenlagerung (v. a. bei adipösen Patienten empfohlen, bessere Übersicht) mit stabiler Auflage des zu operierenden Beines, vorzugshalber stabiler Lagerungsblock (Abb. 1)
Rückenlagerung möglich (von den Autoren nicht empfohlen)
Teilbelastung an Gehstöcken „touch down“ für 4 bis 6 Wochen (je nach Alter des Patienten)
Bei Bedarf Motorschiene zur Verbesserung der passiven Mobilisation
Flexion bis 90° erlaubt
Keine aktive Abduktion und passive Adduktion (Schutz des M. glutaeus medius)
4 bis 6 Wochen postoperativ Konsolidationsröntgen und bei ausreichender Konsolidation Belastungsaufbau innerhalb 7 bis 14 Tagen
Radiologische Kontrolle nach 3 Monaten, dann bei gutem Verlauf Sportfreigabe
Langzeitkontrollen bis mindestens 2 Jahre postoperativ sind zu empfehlen.
Fehler, Gefahren, Komplikationen und ihre Behandlung
Operationszeitpunkt so schnell wie möglich, bei dislozierten medialen Schenkelhalsfrakturen, um das Risiko einer avaskulären Hüftkopfnekrose (AVN) zu minimieren
Präparation zu weit nach dorsal (Gefahr der Schädigung der retinakulären Äste der A. circumflexa medialis) mit Gefahr der AVN
Verletzung des N. glutaeus superior bei zu proximaler Splittung des M. glutaeus medius oder zu viel Traktion mit den Hohmann-Haken, meist spontane Erholung nach 3 bis 6 Monaten
In den letzten 10 Jahren wurden 29 Patienten (17 Jungen, 12 Mädchen) im Durchschnittsalter von 10 Jahren mithilfe dieses Operationszuganges operiert. Die klinischen und radiologischen Ergebnisse sind exzellent. Die Abduktorenkraft wurde nicht beeinträchtigt, und die Hüftbeweglichkeit 3 Monate postoperativ war symmetrisch. Eine Materialentfernung erfolgte im Durchschnitt nach 9 bis 12 Monaten bei vollständiger Konsolidation der Fraktur. Eine operationszugangsbedingte Revision oder Komplikation trat nicht auf. Lediglich bei 3 Patienten musste eine Revisionsoperation aufgrund einer insuffizienten Reposition (1 Patient) oder einer insuffizienten Fixation der Fraktur (2 Patienten, Platte zu kurz, Schrauben nicht winkelstabil fixiert) durchgeführt werden. Eine fraktur- und/oder operationsbedingte Hüftkopfnekrose wurde in keinem Fall beobachtet.
Anzeige
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
K. Ziebarth, N. Kaiser und T. Slongo geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien. Für Bildmaterial oder anderweitige Angaben innerhalb des Manuskripts, über die Patienten zu identifizieren sind, liegt von ihnen und/oder ihren gesetzlichen Vertretern eine schriftliche Einwilligung vor.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
Mit e.Med Orthopädie & Unfallchirurgie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen der Fachgebiete, den Premium-Inhalten der dazugehörigen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Zeitschrift Ihrer Wahl.
Schritt-für-Schritt Darstellung von bewährten und neuen Operationsverfahren, detailliert illustrierte und einheitlich strukturierte Beiträge und CME-Punkte sammeln
In der Notaufnahme wird die Chance, Opfer von häuslicher Gewalt zu identifizieren, von Orthopäden und Orthopädinnen offenbar zu wenig genutzt. Darauf deuten die Ergebnisse einer Fragebogenstudie an der Sahlgrenska-Universität in Schweden hin.
Darüber reden und aus Fehlern lernen, sollte das Motto in der Medizin lauten. Und zwar nicht nur im Sinne der Patientensicherheit. Eine negative Fehlerkultur kann auch die Behandelnden ernsthaft krank machen, warnt Prof. Dr. Reinhard Strametz. Ein Plädoyer und ein Leitfaden für den offenen Umgang mit kritischen Ereignissen in Medizin und Pflege.
Ein Frauenanteil von mindestens einem Drittel im ärztlichen Op.-Team war in einer großen retrospektiven Studie aus Kanada mit einer signifikanten Reduktion der postoperativen Morbidität assoziiert.
Sie sei „ethisch geboten“, meint Gesundheitsminister Karl Lauterbach: mehr Transparenz über die Qualität von Klinikbehandlungen. Um sie abzubilden, lässt er gegen den Widerstand vieler Länder einen virtuellen Klinik-Atlas freischalten.
Update Orthopädie und Unfallchirurgie
Bestellen Sie unseren Fach-Newsletter und bleiben Sie gut informiert.