Vorbemerkungen
Operationsprinzip und Ziel
Typ I | Lateraler Kortikalisdefekt, superiore und mediale Wand intakt |
Typ II | Medialer Wanddefekt |
Typ III | Lateraler Erker- und Pfannendachdefekt |
Typ IV | Isolierte Läsion mit kurativer Therapieintention und Resektion |
Vorteile
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Standardhüftgelenkzugänge ohne zusätzliche Zugangswege
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Gute Überbrückung von großvolumigen azetabulären Metastasen (MAC 2–4)
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Freie Positionierungsmöglichkeit der Pfannenkomponente in der Abstützschale durch Einzementierung einer Polyethylen- oder tripolaren Pfanne
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Im Vergleich zur Harrington-Methode weniger Gefahr der Konstruktmedialisierung durch kraniale polyaxiale Schraubenfixierung und kaudale Hakenaufhängung (bei noch vorhandenem Os pubis)
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Sofortige Vollbelastung und Remobilisation des Patienten
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Intraoperative „Customization“ durch multiple Möglichkeiten der Schrauben- und Pfannenpositionierung je nach Defektsituation
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Verwendung von modularen Standardinlays und/oder tripolaren Pfannensystemen nach Einbringung der Abstützschale
Nachteile
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Hohes periimplantäres Infektrisiko bei Immunsuppression durch Chemotherapie und lokale Radiotherapie
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Keine Möglichkeit der Verankerung der Abstützschale bei großen kranialen iliakalen Defekten und dorsalen Pfeilerdefekten
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Anspruchsvolle Instrumentations- und Operationstechnik
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Knochennahe Dissektion des M. gluteus medius und minimus vom Os ilium zur Verankerung der Laschen notwendig
Indikation
Kontraindikationen
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Starke Einschränkung der Überlebensprognose (< 6 Wochen)
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Persistierendes lokales Infektgeschehen
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Ausgedehnte kraniale Defekte des Os ilium ohne Verankerungsmöglichkeit der Laschen- oder Erkerschrauben (s. Abschnitt „Implantat und Instrumentarium“)
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Ausgedehnte dorsale Pfeilerdefekte, ausgeprägte Beckendiskontinuität
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Grunderkrankungsbedingte Inoperabilität des Patienten
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Vorliegen eines primären Knochentumors mit kurativem Therapievorgehen
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Laufende wundheilungskompromittierende Chemo- oder Immuntherapie
Patientenaufklärung
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Erhöhtes Blutungsrisiko durch Eröffnung der Metastase (cave: Nierenzellkarzinom)
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Allgemeine Risikoaufklärung über Beckeneingriffe
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Postoperativ hinkendes Gangbild (Trendelenburg-Hinken) durch Weichteilschädigung (Glutealmuskulatur)
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Beinlängenunterschied
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Protheseninstabilität/-luxation
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Implantatbruch/periprothetische Frakturen
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Periimplantäre Infektion (Früh- und Spätinfektion) insbesondere bei Immunsuppression
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Zementallergie
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Bei Übergewicht (BMI > 25 kg/m2; nach WHO-Definition) zusätzliche Aufklärung über „Off-label-Use“
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Verletzung von Gefäß‑/Nervenstrukturen mit postoperativer Durchblutungsstörung oder neurologischen Ausfällen
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Größenzunahme der Metastase und damit sekundäre Instabilität des Konstruktes
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Entgegen der vorher durchgeführten Schnittbildgebung können sich intraoperativ, insbesondere nach der Kürettage der azetabulären Metastase ausgedehnte Defekte oder Beckendiskontinuitäten zeigen, welche die Verwendung einer Abstützschale in der beschriebenen Technik unmöglich machen. Für diese Situation sollte mit dem Patienten präoperativ ein „Back-up-Vorgehen“ abgesprochen werden (z. B. Belassen einer Girdlestone-Situation, Einbringen eines Beckenteilersatzes). Das entsprechende Vorgehen sollte die Prognose und das Mobilisationspotenzial des Patienten berücksichtigen.
Operationsvorbereitungen
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Konventionelle Röntgenaufnahmen mit Referenzierungsobjekt zur Prothesenplanung (Hüftübersicht a.-p. + Lauenstein-Aufnahme)
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Computertomographie lokal (Beurteilung des ventralen und dorsalen Pfeilers, Kontinuität des Beckens) und CT Thorax/Abdomen als „Staging“ zur Prognosebeurteilung des Patienten
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Interdisziplinärer Tumorboard-Beschluss
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Ggf. Pausierung von laufenden Immun‑/Chemotherapien soweit möglich (Wundheilung)
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Prüfung der Durchführung einer präoperativen, interventionellen Embolisation (Nierenzellkarzinom)
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Klinische Beurteilung der Weichteile und des Zugangsweges (Weichteilmetastasen?)
Implantat und Instrumentarium
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Das Implantat (Abb. 2; mit freundlicher Genehmigung der Firma Brehm) besteht aus Reintitan mit einem hemisphärischen Außendurchmesser von 48–64 mm (in 4‑mm-Schritten) ohne und mit 2 verfügbaren kranialen Laschenlängen (45 und 60 mm). Aufgrund der oftmals vorliegenden kranialen metastatischen Osteolyse sind längere Laschen meist notwendig. Die sphärische Schale verfügt über eine Anteversion von 15° im Vergleich zur Doppellasche. Die Hemisphäre besitzt eine zentrale, verschließbare Öffnung, durch die Knochenzement im Sinne der Verbundosteosynthese eingebracht werden kann. Die zusätzlich implantierbare Pfannenkomponente ist in ihrer Inklination und Version in 6 Stufen einstellbar. Die Verankerungsschrauben sind polyaxial (Pfannendomschrauben) und winkelstabil (Laschenschrauben) einzubringen. Der kaudale Haken dient zur möglichst optimalen Rekonstruktion des Drehzentrums mit Positionierung im Foramen obturatorium. Er ist individuell modellierbar und kann optional entfernt werden. Das entsprechende Instrumentarium ist in Abb. 3 dargestellt.
Anästhesie und Lagerung
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Rücken- oder Seitenlagerung, posterolateraler, transglutealer oder anterolateraler Zugang
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Blasendauerkatheteranlage
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Intubationsnarkose
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Tranexamsäure unter Beachtung der medikamentenspezifischen Kontraindikationen
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Steriles Abdecken des Röntgenbildwandlers (Inlet‑/Outlet-Aufnahmen)
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Single-Shot-Antibioseprophylaxe je nach Allergiesituation alle 3 h OP-Zeit
Postoperative Behandlung
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Steriler Wundverband, tägliche klinische Wundkontrolle
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Postoperative Blutbildkontrolle mit Bestimmung von Hämoglobin (Hb) und C‑reaktivem Protein (CRP)
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Faden‑/Klammerentfernung nach 10 Tagen
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Sofortige Mobilisation unter schmerzadaptierter Vollbelastung, ggf. an Unterarmgehstützen
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Physiotherapie zur Kräftigung der hüftstabilisierenden Muskulatur
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Vermeidung von Außenrotation und Adduktion
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Adjuvante Radiatio nach Abschluss der primären Wundheilung
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Ggf. Fortsetzung der systemischen Therapie gemäß Tumorboard-Beschluss
Fehler, Gefahren und Komplikationen
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Verletzung der A. glutea superior bzw. deren abgehender Äste bei der Dissektion der Glutealmuskulatur vom Os ilium: Zugangserweiterung und Darstellung der Blutungsquelle, sodann Koagulation/Ligatur bzw. mikrochirurgische Gefäßnaht
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Resultierende Glutealinsuffizienz mit Trendelenburg-Hinken bei zugangsbedingtem Muskeltrauma: beckenstabilisierende physiotherapeutische Muskelkräftigung, individuelle orthopädische Hilfsmittelversorgung (z. B. gegenseitiger Gehstock)
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N.-femoralis-Läsion (Gefahr durch ventralen Haken am vorderen Azetabulumpfeiler) oder N.-ischiadicus-Läsion (Gefahr durch dorsalen Haken am hinteren Azetabulumpfeiler): neurologische Differenzialdiagnostik zur Schädigungsverifikation und -lokalisation (ggf. Elektromyographie und Nervenleitgeschwindigkeitsmessung), bei Restfunktion zunächst abwartendes Verhalten und physiotherapeutische Beübung zur Förderung der Reinnervation, neurologisch-neurochirurgische interdisziplinäre Beteiligung und Therapie in Abhängigkeit der Patientenprognose und Restfunktion
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Übermäßige Zementauffüllung und nicht vollständig versenkte Titan-Flachkopfspongiosaschrauben in der Abstützschale („Pfannendomschrauben“) behindern die Arretierung der Titaninnenpfanne und führen zu einer instabilen Verbindung des modularen Inlays in der Abstützschale (alternativ): Wechsel oder Nachziehen der Schrauben bzw. Entfernung des übermäßigen Zementes, alternativ Einzementierung einer PE-Pfanne in die Abstützschale
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Fehllage oder Überlänge der Pfannendom- und Laschenschrauben mit Affektion intrapelviner Gefäß‑, Nerven- und Organstrukturen: Kontrolle durch intraoperative BV-Aufnahmen in Inlet‑/Outlet-Technik und ggf. Wechsel der Schrauben