Wie können Ärztinnen und Ärzte auf Personen reagieren, die mit medizinischen Falschinformationen zu ihnen kommen? Darüber möchte der Verein „Impf Dich“ bereits im Medizinstudium aufklären.
Ein Großteil der Medizinstudentinnen und -studenten wünscht sich, im Studium mehr über den Umgang mit Impfskepsis zu lernen. Das ergab eine vor Kurzem vom Verein „Impf Dich“ durchgeführte bundesweite Umfrage.
Ein Weg in die richtige Richtung könnte nach Ansicht von Simon Hennes, Vorsitzender von „Impf Dich“, der vom Verein entwickelte peer-teaching-Workshop mit (Übungs-)OSCE (Objective structured clinical examination) sein. Mit ihm sollen Unterrichtseinheiten zum Thema Impfaufklärung und Umgang mit Impfskepsis in die Lehre integriert werden. Das Projekt stellte Hennes auf der Nationalen Impfkonferenz in Wiesbaden vor. Für die Vorstellung erhielt der Verein am Donnerstag den Förderpreis der Stiftung Kinder.Gesundheit.Mainz.
Im Workshop bekommen Gruppen von acht bis zwölf Teilnehmerinnen und Teilnehmern zunächst ein grundlegendes Verständnis für die Ursachen von Impfskepsis und Impfmüdigkeit und erlernen, wie sie mit Wissenschaftsleugnern umgehen können. Die theoretisch erlernten Gesprächstechniken üben sie im Anschluss unter anderem mit Schauspiel-Patienten in einem Übungs-OSCE.
Das Ziel: Projekt deutschlandweit anbieten
An der Medizinischen Fakultät Heidelberg wird der peer-teaching-Workshop aktuell als Teil eines Wahlfachs des Lehrprojekts „Going Viral” angeboten. Ab dem Sommersemester 2023 soll das Modul als Teil eines neu geschaffenen Wahlfachtracks „Interdisziplinäre Infektiologie“ ins Curriculum übernommen werden. Auch an den Medizinischen Fakultäten der Universitäten Bonn und Ulm werden der Workshop und OSCE als Wahlfach angeboten. „Workshop und OSCE wurden dazu entwickelt, in ganz Deutschland im Medizinstudium implementiert zu werden“, sagte Hennes auf Nachfrage der Ärzte Zeitung. Daher sei „Impf Dich" bereits im Gespräch mit weiteren Hochschulen.
Die Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd) fordert bereits seit Jahren, Impfaufklärung und -kommunikation in das verpflichtende Kerncurriculum der medizinischen Ausbildung an allen Medizinischen Fakultäten aufzunehmen. Aktuell sei die Lehre über Risikokommunikation im Allgemeinen unterrepräsentiert. Das ergab beispielsweise eine Analyse an der Universität Heidelberg im Wintersemester 2016/17.
Positive Rückmeldungen zum Workshop und Übungs-OSCE
Die Rückmeldungen zum Workshop von „Impf Dich“ waren positiv. Alle befragten Kursteilnehmer wünschten sich die Aufnahme eines solchen Workshops und Übungs-OSCE in die Pflicht-Lehre im Medizinstudium. Auch Hennes sagte: „Es ist wichtig, die Wissenschaftskommunikation im Medizinstudium auszubauen.“ Der Nutzen weiterer Prüfungen sollte jedoch kritisch evaluiert werden, um eine Überladung des Studiums zu vermeiden.
Besonders zufrieden waren die Teilnehmer des Workshops mit dem Einsatz von Simulationspatienten und mit dem peer-teaching-Konzept: Die Workshops sind so organisiert, dass die Teilnehmer von Studenten höherer Semester unterrichtet werden, aktuell seien dies Mitglieder von „Impf Dich“. Die studentischen Dozenten erlernen beim peer-teaching Kompetenzen, die sie später im Umgang mit Patienten nutzen können, so Hennes. Auch die entspanntere Atmosphäre im Umgang untereinander sei hilfreich. Und: Studenten, die in einem Jahr am Workshop teilnehmen, können diesen nach weiterer Schulung selbst unterrichten.
Der Verein „Impf Dich“ ist ein Netzwerk aus vorwiegend Medizinstudenten, aber auch jungen Ärzten, Professoren und Apothekern, die sich für mehr Impfbereitschaft in Deutschland einsetzen. Eines der Hauptziele von „Impf Dich“ ist, Kinder und Jugendliche über den richtigen Impfschutz aufzuklären und so die Impfquote langfristig zu erhöhen. Dafür besucht der Verein Schulen im ganzen Land. Zudem untersuchte der Verein die COVID-Impfbereitschaft und -quote bei Medizinstudenten in der COVRAM-Umfrage (COVID-19 Vaccination Readiness Assessment of Medical Students) und setzt sich für eine bessere Wissenschaftskommunikation durch Studenten und Ärzte ein.
Quelle: Ärzte Zeitung