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Viszeral- und Allgemeinchirurgie
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Publiziert am: 28.12.2022

Prinzipien Stomaanlage und Komplikationsmanagement (außer parastomale Hernien)

Verfasst von: Zarah Hirche und Stefan Willis
Die Anlage eines intestinalen Stomas gehört zu den Standardeingriffen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie und wird verpflichtend im Logbuch der Weiterbildung gemäß Weiterbildungsordnung der entsprechenden Landesärztekammern gefordert. Die Stomaanlage ist trotz immer besserer und standardisierter Chirurgie auch heute noch ein unverzichtbarer Eingriff, weshalb die technisch einwandfreie Anlage jedem Chirurgen geläufig sein muss. Aktuell gibt es ca. 160.000 Stomaträger in Deutschland, von denen ein signifikanter Anteil im Laufe seines Lebens Stomaprobleme oder -komplikationen entwickelt. Die kumulative Komplikationsrate liegt bei mindestens 50 %. Sie wird wesentlich durch die Art des Stomas, die gewählte Lokalisation, die technisch korrekte Anlage und die spätere langfristige Versorgung beeinflusst.

Historie der Stomaanlage

Die Anlage eines künstlichen Darmausgangs ist eine der ältesten chirurgischen Verfahren am Darmtrakt und ist bis in die Hindu-Antike zurück dokumentiert. Indikationen waren Verletzungen, inkarzerierte Hernien und Ileus sowie angeborene anale Atresien. Seit 350 v. Christus haben Chirurgen die Stomaanlage langsam aber stetig technisch weiterentwickelt. 1541 wies Paracelsus darauf hin, dass bei Darmverletzungen der künstliche Ausgang die einzige Überlebenschance sei. Der englische Chirurg Cheselden schuf bei einer Patientin namens Margret White eine Stuhlableitung, indem er bei einer inkarzerierten Nabelhernie den nekrotischen heraushängenden Darm einfach abschnitt. Erst ab dem 18. Jahrhundert wurde die chirurgische Technik modifiziert und Stomata auch elektiv angelegt. Das erste Zökostoma geht auf Pillore 1776 zurück. 1793 gelang Duret die Anlage eines Sigmoidostomas bei einem Kind mit anorektaler Fehlbildung. Im Jahr 1839 favorisierte Amussat die Anlage retroperitonealer lumbaler Kolostomien, da er die Peritonitis als die größte Gefahr erkannte. Erst 1850 beschrieb Luke die abdominelle Anlage eines Sigmoidostomas im linken Unterbauch. 1879 stellte Erckelens 262 Kolostomien zusammen. Die Letalität lag bei diesen Eingriffen zwischen 38–46 %. Mayo und Miles standardisierten die endständige Sigmoidostomie im Rahmen der Rektumsexstirpation Anfang 1900. Sie wurde später nur noch wenig modifiziert. Die erste Ileostomie erfolgte 1952 in England durch Brook. Turnbull und Weakly beschrieben 1971 die erste Anlage eines doppelläufigen Ileostomas. Seit jeher retteten diese Stomaanlagen den Patienten zwar das Leben, ihre Lebensqualität war dadurch aber deutlich eingeschränkt. Die ehemals zur Verfügung stehende Stomaversorgung bestand aus Tüchern oder Behältern, die vorgehalten wurden und weder (geruchs-)dicht oder hautschonend waren, noch ein alltägliches Leben gewährleisten konnten. Später wurden sog. Pelotten hergestellt. 1954 hatte Elise Sörensen, eine Krankenschwester, deren Schwester Stomaträgerin war, die Idee für eine neue Stomaversorgung in der Form eines selbstklebenden Beutels. Gemeinsam mit dem Unternehmer Lukas Hansen, seines Zeichens Fabrikat von Plastiktüten, entwickelten und produzierten sie weltweit die ersten selbstklebenden Stomabeutel. Erst 1961 wurden von Turnbull Stomatherapeuten ausgebildet, um eine adäquate Nachsorge sicherzustellen.

Einleitung

Prinzipiell unterscheidet man zwischen Dünn- und Dickdarmstomata sowie zwischen doppelläufigen (syn. protektiven/passageren) und endständigen (syn. definitiven) Stomata. Welcher Stomatyp angelegt wird, ist abhängig von den Grundkrankheiten, der aktuellen Situation und der durchgeführten Operation. Die Indikationen betreffen sowohl Notfalleingriffe als auch elektive Operationen und ergeben sich daraus, ob eine Darmanastomose technisch möglich und sinnvoll ist, oder ob ein zu hohes Risiko einer Anastomoseninsuffizienz besteht. Auch der Allgemeinzustand des Patienten und anatomische Besonderheiten beeinflussen die Entscheidungsfindung.

Indikation

Elektives Stoma

Zu den elektiven Indikationen einer Stomaanlage zählt die Stuhlableitung bei angeborenen Fehlbildungen (z. B. Analatresie), nach Rektumresektion oder -exstirpation, bei Stuhlinkontinenz oder auch beim destruierenden, inkurablen Fistelleiden. Die Stuhldeviation ermöglicht eine kontaminationsarme Abheilung und Versorgung des komplexen Fistelsystems ohne Stuhlkontamination. Andere elektive Indikationen sind schwer chirurgisch kontrollierbare Anus-nahe Dekubitalulzera oder als Palliativsituationen bei stenosierendem oder metastasiertem kolorektalem Karzinom. Hier sollte doppelläufigen Kolostomata Vorzug gegenüber dem distalen Blindverschluss mit endständigen Kolostomien gegeben werden, um einem Sekretstau proximal der Stenose und ggfs. einer konsekutiven Stumpfinsuffizienz vorzubeugen. Bei der therapierefraktären Stuhlinkontinenz ist dem endständigen Stoma der Vorzug zu geben, um die unkontrollierte Stuhlentleerung zu verhindern.
Die häufigste elektive Indikation ist die protektive Ileo- oder Kolostomaanlage zum Schutz einer Anastomose. Die Stuhldeviation ermöglicht durch Reduktion der Stuhlkontamination eine bessere Heilung der Anastomose. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass das Stoma nicht vor der eigentlichen Insuffizienz schützt, sondern lediglich die Folgen einer Insuffizienz minimiert.

Notfall-Stoma

Notfallindikationen für eine Stomaanlage sind z. B. Peritonitis wegen Darmperforation, Anastomoseninsuffizienzen und Beckentraumata mit Pfählungsverletzungen, aber auch nach notfallmäßiger Darmresektion bei z. B. Mesenterialischämie oder Ileus.
Lange war die Operation nach Hartmann mit Anlage eines endständigen Kolostomas der Goldstandard bei Dickdarmperforation bei Tumoren, Divertikulitis, Trauma oder Anastomoseninsuffizienzen. Hier hat mittlerweile ein Paradigmenwechsel stattgefunden. Bei der perforierten Sigmadivertikulitis wird als Operationsverfahren der Wahl die Sigmaresektion mit primärer Kontinuitätswiederherstellung und Vorschaltung eines protektiven Ileostomas bevorzugt. Eine notfallmäßige Hartmannsituation wird nur noch in Ausnahmefällen bei hochkritischen Patienten durchgeführt. Bei septischen und instabilen Patienten mit erschwerter Mobilisation der linken Flexur kann i. S. eines damage-control-Ansatzes eine Hartmann-Operation durchgeführt werden. Hintergrund für den Paradigmenwechsel ist, dass nach primärer Anastomosierung mit protektivem Stoma bei gleichem Behandlungserfolg ein größerer Prozentsatz der Patienten nach kürzerer Wartezeit einer Stomarückverlegung zugeführt werden kann als nach einer Diskontinuitätsresektion mit einer Hartmann-Situation. Des Weiteren ist die Komplikationsrate nach Ileostoma-Rückverlagerung kleiner als nach einer Hartmannauflösung. Letztlich entscheidet aber die intraoperative Situation.
Das Pfählungstrauma bzw. die Zerstörung des Rektums im Rahmen einer komplexen Beckenverletzung macht ebenfalls die notfallmäßige Stomaanlage notwendig. Hier sind der Stomatyp und die Lokalisation durch das Verletzungsbild vorgegeben.

Stomatypen

Doppelläufiges Stoma

Die Entscheidung, ein endständiges oder doppelläufiges Stoma anzulegen, wird meist schon präoperativ unter Wertung der Grunderkrankung, des Allgemeinzustands des Patienten und der Wahrscheinlichkeit für eine spätere Stomarückverlagerung getroffen. Weiterhin sollte schon bei der Stomaanlage an die Wiederherstellung der Darmkontinuität gedacht werden und, falls möglich, dem doppelläufigen Stoma der Vorzug gegeben werden, da die Rückverlagerung komplikationsärmer ist. Soll nur eine passagere Stuhldeviation wie nach tiefer anteriorer Rektumresketion beim neoadjuvant vorbehandelten tiefsitzenden Rektumkarzinom zum Anastomosenschutz erfolgen, wird ein doppelläufiges Ileostoma bevorzugt, weil hier die Stomarückverlagerung technisch einfacher und weniger komplikationsträchtig ist als beim doppelläufigen Kolostoma. Wird das Rückverlagerungsintervall länger eingeschätzt (>6 Monate), ist der Zeitpunkt nicht absehbar oder handelt es sich um Patienten mit einer hohen Komorbidität (drohendes high-output-Ileostoma, s. u.) sollte man eher ein doppelläufiges Transversostoma wählen.

Endständiges Stoma

Ein endständiges Ileostoma wird nur noch selten elektiv bei Proktokolektomie ohne Pouch oder im Rahmen einer mehrzeitigen Proktokolektomie durchgeführt. Häufiger wird es im Notfall, z. B. nach Dünn- oder Dickdarmresektionen bei Mesenterialischämie oder massiven abdominellen Traumata angelegt.
Ein endständiges Kolostoma ist indiziert bei der Rektumexstirpation wegen eines ultratiefen Rektumkarzinoms oder Analkarzinomrezidivs. Weitere Indikationen sind nach Kolondiskontinuitätsresektionen, aber auch beim therapierefraktären Dekubitus, bei Stuhlinkontinenz als Ultima Ratio oder angeborenen analen Fehlbildungen als endgültige Lösung (s. o.).

Lokalisation

Prinzipiell kann jeder Darmabschnitt als Stoma fungieren, wenn das Mesenterium eine spannungsfreie Verlagerung vor die Bauchdecke erlaubt. Grundsätzlich sollten alle Stomata so weit aboral wie möglich angelegt werden, um die maximale Resorptionsstrecke des Darmes auszunutzen.
Zur Planung der Durchtrittstelle gilt generell diese möglichst oberhalb der Linea arcuata und transrektal der Mm. recti abdomini anzulegen, da hier eine vollständige Umscheidung durch die vordere und hintere Rektusscheide der Aponeurosen der queren Bauchmuskeln besteht (M. obliquus externus abdominis, M. obliquus internus abdominis, M. transversus abdominis). Somit ergeben sich folgende Empfehlungen für die unterschiedlichen Stomata:
Die günstigste Position für das Transversostoma ist der rechte obere Quadrant des Abdomens (Abb. 1). Das Ileostoma wird in der Regel im rechten unteren Quadranten angelegt (Abb. 1). Das Kolostoma (Descendo- oder Sigmoidostoma) wird in der Regel im linken unteren Quadranten angelegt (Abb. 1).
Abweichungen können individuell auftreten und hängen von mehreren Einflussfaktoren wie Voroperationen und der intraoperativen Situationen ab (Länge des Mesos, Dicke der Bauchdecke).
Grundsätzlich gilt, dass (zumindest die elektive) Planung der Stomaanlage schon präoperativ beginnt. Eine präoperative Markierung der Stomastelle ist obligat, um spätere Komplikationen aufgrund einer schlechten Stomaversorgung zu vermeiden. Die Markierung erfolgt soweit möglich im Stehen, Liegen und Sitzen. Das Stoma sollte im lateralen Bereich der Rektusscheide durch die Bauchdecke geführt werden. Die transmuskuläre Ausleitung soll das Risiko einer parastomalen Hernie reduzieren und eine Art endogenen Verschluss durch die Rektusmuskulatur, auch wenn dies in Studien bislang nicht belegt werden konnte, bieten. Wichtige Kriterien für die optimale Lokalisation sind der ausreichende Abstand zum Nabel, zu Narben, Falten, Wunden und Knochenvorsprüngen (Beckenkamm, Rippenbogen). Die Hosenbund-Höhe sollte ebenfalls mit markiert und berücksichtigt werden. Im Regelfall sollte der Patient das Stoma selbst sehen und erreichen können (Abb. 2).
Idealerweise sollte die vorgesehene Stelle durch Aufkleben einer Stomaplatte vom Patienten präoperativ getestet werden.
In der Notfallsituation sollte eine virtuelle Verbindungslinie zwischen Spina iliaca ant. sup. und Nabel gezogen und gedrittelt werden. Das Stoma sollte am Übergang vom zweiten zum dritten Drittel innerhalb der Rektusscheide angelegt werden. Die Stomaanlage innerhalb oder nahe der Laparotomiewunde ist zu vermeiden.
Bei einer extremen Adipositas ist die Stomaanlage in den oberen Abdominalquadranten wegen der besseren Erreichbarkeit bei der Selbstversorgung sowie der Reduktion der Komplikationsrate auf Grund der hier dünneren Bauchdecke sinnvoller.

Technik der Stomaanlage

Die Stomaanlage beinhaltet prinzipiell folgende Operationsschritte:
  • Präparation der Durchtrittsstelle
  • Durchzug des stomatragenden Darmsegmentes
  • Eröffnen des stomatragenden Darmsegmentes
  • Einnähen in die Haut

Präparation der Durchtrittsstelle

Die geplante und präoperativ markierte Durchtrittsstelle wird an der Haut mit einer Kocher-Klemme gefasst und kreisrund (ca. 2–3 cm bzw. passend für Darmdurchmesser) ausgeschnitten. Es erfolgt das Ausschneiden eines Subkutiszylinders bis auf die Faszie sowie die kreuzförmige Inzision der Faszie. Die Muskulatur wird stumpf auseinandergedrängt und das Peritoneum schlitz- oder kreuzförmig inzidiert. Der Durchtritt durch die Bauchdecke sollte für zwei Querfinger gut durchgängig sein. Bei endständigen Stomata wird von uns die extraperitoneale Ausleitung zur Prävention von parastomalen Hernien propagiert. Hierfür wird das Peritoneum einige Zentimeter nach lateral untertunnelt und eröffnet, so dass der Darm einen Siphon-artigen Verlauf durch die Bauchdecke nimmt. Beim Transversostoma wird die Durchtrittsstelle leicht abweichend präpariert (s. u.). Je nach Stomatyp ergeben sich bei den weiteren Operationsschritten kleine Unterschiede, die im Folgenden dargestellt werden.

Endständiges Ileostoma, offen chirurgisch

Dünndarmstomata sollten aufgrund des aggressiven Dünndarmstuhls möglichst prominent angelegt werden, um den Dünndarminhalt direkt in den Beutel zu entleeren. Durch den in den Stomabeutel hängenden prominenten Stomaanteil wird ein gegenüber der planen Anlage deutlich verbesserter peristomaler Hautschutz erreicht. Eine Skelettierung des Darmendes ist nicht erforderlich, zumal die erhaltene Durchblutung nahezu die wichtigste Voraussetzung zur Vermeidung von lokalen Problemen ist. Das Ileum wird 5–6 cm durch die Durchtrittsstelle vorgelagert und ggf. mittels seromuskulärer Situationsnähte (sog. Hochnähte) fixiert. Eine vorherige Fixation am Peritoneum kann sinnvoll sein, um eine Retraktion oder einen Prolaps zu vermeiden. Abschließend erfolgt das transkutane sternförmige Einnähen. Das Ileostoma sollte die Haut um 2 cm überragen.

Doppeläufiges Ileostoma, offen chirurgisch

Das doppelläufige Ileostoma wird je nach anatomischer Gegebenheit meistens im rechten Unterbauch angelegt, kann aber auch links platziert werden. Die Position des zuführenden Schenkels wird kontrovers diskutiert. Wenn spannungsfrei möglich, sollte das Stoma mit dem zuführenden Schenkel kaudal oder zumindest seitlich angelegt werden, um ein Überlaufen des Stuhls in den abführenden Schenkel zu verhindern (Abb. 3). Als Dünndarmstoma wird in der Regel das terminale Ileum benutzt, ist dies nicht möglich, nimmt man den weitestmöglichen aboralen Teil des Dünndarms. Limitiert ist die Anlage eines Dünndarmstomas durch die Länge des Mesenteriums. Insbesondere die erste Jejunalschlinge ist zur Stomaanlage nicht geeignet (zu kurzes Meso, Kurzdarmsyndrom). Die ausgewählte Ileumschlinge wird mit einem transmesenterial durchgezogenen Zügel unterfahren und anschließend durch die zuvor geschaffene Durchtrittsstelle vor die Bauchdecke vorgelagert. Zur Präparation der Durchtrittsstelle wird bei der offenen Präparation zunächst die Bauchdecke mit einer Backhaus-Klemme im Bereich des medianen Laparotomierandes fixiert, um ein kulissenartiges Verschieben der Bauchdeckenschichten zu verhindern.
Ggf. wird die Dünndarmschlinge vor der Bauchdecke mit einem Reiter fixiert, im Regelfall ist dieser jedoch entbehrlich. Die Eröffnung der vorverlagerten Schlinge erfolgt vorzugsweise als letzter chirurgischer Schritt der Operation um eine Wundkontamination mit Stuhl zu vermeiden. Hierbei erfolgt die quere Eröffnung des aboralen Schenkels knapp oberhalb der Bauchdecke. Der orale Anteil wird evertiert und prominent durch Hochnähte eingenäht (Abb. 4). Der distale Schenkel wird im Regelfall plan im Hautniveau eingenäht.
Limitierende Faktoren können die Länge des Mesenteriums des auszuleitenden Abschnitts und der Schwellungszustand des Darms sein. Letztlich ist die Länge der Strecke durch die Bauchdecke von peritoneal nach kutan zu berücksichtigen.

Doppelläufiges Transversostoma rechts, offen chirurgisch

Die Platzierung des Transversostomas erfolgt im rechten Oberbauch und beginnt mit einer kurzen queren Oberbauchlaparotomie. Nach Hautinzision, Spaltung der Subkutis und Durchtrennen des vorderen Faszienblatts sowie Auseinanderdrängen der Rektusmuskulatur wird das hintere Rektusscheidenblatt ebenfalls quer eröffnet. Anschließend wird das Colon transversum mobilisiert. Dabei wird das Omentum majus kurzstreckig vom Colon transversum abpräpariert und das Kolon nach transmesenterialem Anzügeln vor die Bauchdecke verlagert, ggf. unter Zuhilfenahme eines „Stomareiters“. Danach werden die Faszie sowie die Wundränder bis auf ca. drei Querfinger Durchmesser durch Einzelknopfnähten eingeengt zur Vermeidung eines Prolaps oder einer parastomalen Hernie. Nach dem Bauchdeckenverschluss erfolgen die quere Eröffnung des Kolons und das leicht prominente Einnähen des Stomas (Abb. 5).

Doppelläufiges Sigmoidostoma, offen chirurgisch

Das doppelläufige Sigmoidostoma wird meistens im linken Unterbauch angelegt. Die offen chirurgische Technik unterscheidet sich nicht wesentlich von dem doppelläufigen Ileostoma. Die ausgewählte und mobilisierte Sigmaschlinge wird mit einem transmesenterial durchgezogenen Zügel unterfahren und anschließend vor die Bauchdecke vorgelagert und ggfs. vor der Bauchdecke mit einem „Stomareiter“ fixiert. Die Eröffnung der vorverlagerten Schlinge erfolgt auch hier vorzugsweise als letzter chirurgischer Schritt, um eine Wundkontamination mit Stuhl zu vermeiden. Beide Schenkel werden sternförmig plan oder leicht evertiert im Hautniveau eingenäht.

Endständiges Kolostoma, offen chirurgisch

Auch hier sollte das distale Ende nicht skelettiert werden. Technisch wird der meist mittels Klammernaht verschlossene Darm ohne Spannung durch die Bauchdecke geführt. Das Darmende sollte ohne Spannung 2–3 cm über Hautniveau mobilisierbar sein und nicht spontan bzw. sich nicht spannungsbedingt retrahieren. Ein intraabdominelles Durchhängen oder Abknicken der abführenden Darmschlinge kann zu Entleerungsstörungen der Darmsekrete, Kotsteinbildung oder einem funktionellem Blindsacksyndrom führen und sollte deshalb vermieden werden. Um eine parastomale Herniation zu verhindern, kann das Stoma beim Schaffen der Durchtrittsstelle extraperitoneal ausgeleitet oder mit einem Kunststoffnetz gesichert werden. Auch dieses Stoma sollte leicht prominent eingenäht werden.

Laparoskopische Stomaanlage

Die laparoskopische Anlage eines Ileo- oder Kolostomas ist ein sicheres Verfahren. Voroperationen stellen primär keine Kontraindikation zum laparoskopischen Vorgehen dar, können aber die OP-Dauer und die Rate an perioperativen Komplikationen negativ beeinflussen. Wichtig ist, dass die Stomadurchtrittsstelle unbedingt vor Anlage des Pneumoperitoneums oder erst nach Desufflation präpariert werden sollte, da das Pneumoperitoneum zu einer kulissenartigen Verschiebung der Bauchwandschichten führen kann.
Am häufigsten ist das laparoskopisch angelegte doppelläufige Ileostoma im Rahmen einer laparoskopischen Rektumresektion. Hier wird einer der Arbeitstrokare im rechten Unterbauch an der präoperativ markierten Stomastelle platziert. Das terminale Ileum wird mit einer atraumatischen Klemme gefasst. Anschließend wird in gewohnter Weise von außen um den Arbeitstrokar herum die Durchtrittsstelle präpariert, wobei der Trokar mit der Klemme in der Wunde verbleibt. Dann wird die Ileumschlinge spannungsfrei vor die Bauchdecke verlagert und mit einem Zügel temporär gesichert. Das Pneumoperitoneum wird mit reduziertem Druck erneut aufgebaut und die korrekte, nicht torquierte oder abgeknickte Lage von zu- und abführender Schlinge überprüft. Anschließend werden die Trokare entfernt und die Inzisionsstellen verschlossen. Dann wird das Stoma wie üblich eröffnet und ohne Reiter eingenäht. Alternativ kann das Stoma „offen“ über den suprasymphysären Bergeschnitt vorverlagert werden. Derzeit wird kontrovers diskutiert, ob eher ein doppelläufiges Ileo- oder Kolostoma im Rahmen der tiefen anterioren Rektumresektion angelegt werden sollte. Chudner et al. zeigten in einer Metaanalyse von 2019 anhand von insgesamt 1063 Patienten keinen signifikanten Unterschied zwischen dem Ileo- oder Kolostoma bezogen auf die Morbiditätsrate sowohl bei der Anlage als auch bei der Rückverlagerung (Chudner et al. 2019).
Technisch ist bei der laparoskopischen Kolostomaanlage der präparatorische Aufwand größer, da bei der Transversostomaanlage das Netz und bei der Sigmoidostomaanlage die laterale Umschlagfalte abpräpariert werden muss. Deshalb wird die Transversostomaanlage im rechten Oberbauch im Regelfall über eine Minilaparotomie angelegt. Das Kolon wird bei der doppelläufigen Anlage nach der Mobilisation entweder mit einer atraumatischen Klemme gefasst oder transmesenterial angezügelt. Nach üblicher Vorbereitung der Durchtrittsstelle wird das Dickdarmsegment nach Ablassen des Pneumoperitoneums vor die Bauchdecke gelagert. In jedem Fall ist abschließend die laparoskopische Kontrolle der korrekten Lage der Darmschlinge obligat. Die Trokare werden entfernt und die Inzisionsstellen verschlossen. Dann wird das Stoma wie üblich eröffnet und eingenäht.
Die Anlage eines endständigen Descendo- oder Sigmoideostomas eignet sich hervorragend für die Laparoskopie, da hier meist eine laterale Mobilisierung des Dickdarms erforderlich ist, um den Darm vor die Bauchdecke verlagern zu können. Das mobilisierte Sigma wird mit einem Linearstapler im Bauch oder vor der Bauchdecke durchtrennt, der abführende Schenkel in die Bauchhöhle reponiert und der orale Schenkel als Stoma eingenäht. Bei der Durchtrennung des Mesos ist darauf zu achten, dass die Randarkade und damit die Blutversorgung des blind abgesetzten Schenkels erhalten bleiben (Abb. 6).

Mikulicz-Stoma

Das Mikulicz-Stoma, auch Anastomosen- oder Splitstoma genannt, kann in Ausnahmesituationen indiziert sein. In Fällen, bei denen einen primäre Darmanastomosen zu risikoreich erscheint und eine zweite Laparotomie zur Kontinuitätswiederherstellung bei Hartmann-Situation vermieden werden soll, wird das Verfahren gelegentlich angewendet, z. B. bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen oder Immunsuppressoren in der Eigenmedikation im Rahmen von Hochrisikosituationen. So konnten Myrelid et al. in einer retrospektiven Studie von 2012 an 132 Patienten mit 146 Operationen bei ileozökalem Morbus Crohn zeigen, dass bei Hochrisikopatienten die Anastomoseninsuffizienzrate von 19 auf 10 % durch ein Splitstoma reduziert werden konnte (Myrelid et al. 2012).
Technische Voraussetzung ist die ausreichende Mobilisation der beiden Darmschenkel. Nach Resektion des erkrankten Darmabschnittes werden die zu- und abführenden Schenkel gemeinsam vor die Bauchdecke verlagert und die Hinterwände anastomosiert. Die vordere Darmwand bleibt unverschlossen und wird als doppelläufiges Stoma eingenäht. Auf den Einsatz eines Reiters ist in dieser Situation absolut zu verzichten, um mechanische Kräfte an der Hinterwand zu vermeiden. Vorteil ist, dass bei geplanter Rückverlagerung des Stomas meist die Re-Laparotomie zur Kontinuitätswiederherstellung entfällt. Risiko oder Nachteil ist, dass trotz möglicher visueller täglicher Kontrolle der Hinterwandanastomose durch das Stoma eine Insuffizienz der Hinterwand mit Folgeperitonitis auftreten könnte. Darüber hinaus besteht aufgrund der geringeren Mobilität bei einem Kolonanteil das Risiko, dass hinsichtlich der zukünftigen Versorgung (prominente Anlage, Position etc.) Kompromisse gemacht werden, die die Lebensqualität des Patienten bis zur Rückverlagerung dann massiv beeinträchtigen.
Chimney-Stoma
Die Eversion bei Dünndarmstomata sollte im Notfall nicht erzwungen werden und ist vor allem bei geringem Darmlumen, ödematösem Darmschenkel oder dickem Mesenterium nicht möglich. Hier kann der nicht skelettierte Darm einfach ausgeleitet, seromuskulär an der Haut fixiert und 2–3 cm wie ein Schornstein überstehend belassen werden, um eine gute Versorgung zu gewährleisten (Chimney-Stoma oder Krückstock-Stoma). Nach einiger Zeit wird das freiliegende Mesenterium von der Darmschleimhaut überwachsen.

Stoma bei Adipositas – Tipps und Tricks

Prinzipiell ist bei adipösen Patienten die Stomaanlage mit einer erhöhten Stomakomplikationstrate assoziiert. Die sog. BOSS-Studie (Berlin OStomy Study) unterstützt diese Aussage und konnte zeigen, dass Patienten mit einem BMI >40 bei der Stomaanlage signifikant mehr Komplikationen hatten. Insbesondere war die Komplikationsrate in der Notfallsituation mit 89 % signifikant höher als bei elektiver Stomaanlage (67 %). Die Lokalisation des Stomas hatte keinen Einfluss auf die Komplikationsrate (Braumann et al. 2016).
Generelle Probleme bei Adipösen sind die Versorgung des Stomas und die Rate komplizierter Stomata. Die Möglichkeit der prominenten Anlage ist häufig eingeschränkt wegen des kompakten, verkürzten Mesenteriums und der kräftigen Bauchdecken wodurch es zu einem Zug am Darm und am Mesenterium mit konsekutiver Retraktion des Stomas nach Bauchdeckenverschluss kommt. Das gleiche Missverhältnis besteht beim sehr kurzen, ödematösen Mesenterium (z. B. bei Peritonitis, Peritonealkarzinose oder anderer Infiltration des Mesenteriums). Oft ist es nicht möglich, den Darm spannungsfrei vor die Bauchdecke zu verlagern. Hier muss im Zweifelsfall ein Kompromiss zwischen optimaler Position und ausreichender Durchblutung gefunden werden. Aufgrund der unterschiedlichen Fettverteilung der Bauchdecke ermöglicht die Positionierung des Stomas im Bereich des Oberbauchs häufig eine prominente Anlage. Zusätzliche seromuskuläre Nähte des Stomaschenkels an die Fazien können hilfreich sein eine spätere Retraktion des Stomas zu verhindern.
In extrem schwierigen Situationen hilft es den terminalen Dünndarm mit einem Stapler zu verschließen und das Stoma antimesenterial anzulegen. Man gewinnt so etwa 3 cm Länge. Zusätzlich kann antimesenteriales Schlitzen bei ödematösem Darmlumen ein Evertieren ermöglichen.
Kontrovers diskutiert wird die Verwendung von sog. Stoma-Reitern. Beweggrund für die Verwendung eines Reiters ist die Sorge vor einer Retraktion und einer daraus resultierenden schlechteren Versorgung des Stomas. Einige Chirurgen verwenden daher Reiter konsequent bei allen doppelläufigen Stomata, einige verwenden sie selektiv und andere wiederum gar nicht. Die Datenlage für den Einsatz von Reitern bei der Anlage eines doppelläufigen Stomas ist jedoch schwach. Experimentelle Ansätze wie das „Ghost-Stoma“ oder „Stoma-bridge“ konnten sich noch nicht durchsetzen. Beim Ghost-Stoma wird die ausgewählte Ileum-Schlinge angezügelt und der Zügel durch die Bauchdecke geleitet, ohne das Stoma anzulegen. Erst im Falle einer Anastomoseninsuffizienz wird das Stoma in einem kleinen Eingriff nachträglich angelegt und so eine Stuhl-Deviation erzwungen. Bei der Stoma-bridge wird der Reiter oder Zügel beim doppelläufigen Stoma getunnelt, sodass eine bessere Versorgbarkeit mit der Stomaplatte erfolgen kann. Dieses Verfahren hat sich aber nicht etabliert.

Stomaversorgung

Die Betreuung der Stomapatienten beginnt im Idealfall bereits präoperativ. Sie sollten schon zu diesem Zeitpunkt durch Ärzte und Stomatherapeuten auf Versorgungsprobleme und Behandlungsmöglichkeiten der jeweils geplanten Stomata aufgeklärt werden. Ggfs. sollte schon frühzeitig der Kontakt zu Selbsthilfegruppen hergestellt werden, um Ängste auf Seiten der Patienten zu verringern. In der postoperativen Phase sollten sie gezielt durch Stomatherapeuten betreut und zur Selbstversorgung angeleitet werden. Eine Ausnahme hierbei bilden alte und pflegebedürftige Patienten, die nicht in der Lage sind, die Versorgung selbständig durchzuführen. Die Versorgungssysteme sollten den Stomapatienten im Hinblick auf Sicherheit und Praktikabilität individuell angepasst werden. Möglichst bald sollten Beutelwechsel und Entleerungen nicht mehr im Krankenzimmer durchgeführt werden, denn durch den Wegfall der Geruchsbelästigung für die Mitpatienten wird das Selbstvertrauen des Stomaträgers gefördert. Gängige postoperative Versorgungssysteme sind zweiteilig, um gerade in der frisch operierten Phase nicht ständig die Basisplatte von der Haut entfernen zu müssen. Der Rastring sollte zum Unterfassen sein. Der Versorgungsbeutel ist transparent und zum Ausstreifen. Die Öffnung in der Basisplatte muss exakt ausgeschnitten werden, da der Stuhl in der postoperativen Phase dünnflüssig und sehr hautaggressiv ist. Stomaartikel für zu Hause sollten leicht und unkompliziert in der Anwendung sein sowie eine absolute Abdichtung ermöglichen. Das Material muss haltbar und geruchssicher sein. Der Hautschutz sollte hautfreundlich, hygroskopisch und flexibel sein. Er sollte mehrere Tage auf der Haut belassen werden können und einen problemlosen Beutelwechsel ermöglichen. Beim einteiligen Versorgungssystem steht die hygienische Seite bei der Reinigung der parastomalen Haut im Vordergrund, allerdings findet eine höhere Hautbelastung statt. Das zweiteilige System hat eine bessere Hautschonung und die Basisplatte kann 3–4 Tage auf der Haut verbleiben. Es muss hier nur ein Wechsel des Beutels bei Bedarf vorgenommen werden, was unter Umständen aber hygienisch schwieriger ist als bei der einteiligen Versorgung. Nach Anlage eines Kolostomas dickt der Stuhlgang im Verlauf ein. Es kann daher auf Dauer auf die Versorgung mit einem geschlossenen Beutel gewechselt werden. Dieser enthält einen Kohlefilter, der zwar Gase hindurch lässt, aber Gerüche absorbiert. Bei einem Ileostoma sollte auf Dauer die Versorgung mit einem Ausstreifbeutel erfolgt, denn der Stuhl ist dünnflüssig und anfänglich mit einer hohen Stuhlfrequenz und hohem Stuhlvolumen vergesellschaftet.

Stomakomplikationen

Die Art des Stomas beeinflusst die Lebensqualität nur gering, solange eine problemlose Selbstversorgung gewährleistet ist. Nur die komplikationslose, gut platzierte Stomaanlage mit nachfolgender adäquater Stomaversorgung garantieren dem Patienten eine akzeptable Gesellschaftsfähigkeit und Lebensqualität. Treten Stomakomplikationen führen diese zu einer dramatischen Reduktion der Lebensqualität (Hirche und Willis 2020).
Die kumulative Komplikationsrate ist sehr hoch und wird in vielen Studien von 21 bis über 70 % angegeben. Diese große Breite der Komplikationsrate entsteht durch die schlechte Studienlage mitfast nur retrospektiven Fallserien, kaum großen Kohorten, fehlender randomisierter klinischer Studien sowie gesellschaftlicher Unterschiede und individuell unterschiedlicher subjektiver Wahrnehmung der Beeinträchtigung.
Die Komplikationsrate wird wesentlich durch die Art des Stomas, die gewählte Lokalisation, die OP-Technik und die spätere Versorgung beeinflusst. Naturgemäß liegen zur schlechten Lokalisation keine belastbaren Zahlen vor. Nachgewiesenermaßen gibt es aber signifikant weniger Stomakomplikationen, wenn der Anlageort präoperativ festgelegt und markiert wurde. Im Gegensatz dazu machen Stomata, die ungeplant im Rahmen von Notfalloperationen angelegt wurden, die meisten Probleme. Viele Patienten müssen im Verlauf wegen einer Stomakomplikation reoperiert werden.
Grundsätzlich kann zwischen Früh- und Spätkomplikationen unterschieden werden. Zu den Frühkomplikationen zählen die Stomanekrose (7 %), die Stomaretraktion (10–24 %) und parastomale Abszesse oder Fisteln. Das sind Komplikationen, die unmittelbar postoperativ auftreten (Salvadalena 2008, Shabbir und Britton 2010). Davon abzugrenzen sind Spätkomplikationen, die sich erst im weiteren Verlauf entwickeln. Dazu zählen peristomale Hautveränderungen (10–57 %), Stomastenosen (2–17 %), der Stomaprolaps (8–75 %) oder die Bildung einer parastomalen Hernie (9–22 %) sowie das high-output-Ileostoma und Kurzdarmsyndrom (Salvadalena 2008; Shabbir und Britton 2010).
Im Weiteren werden die Stomakomplikationen erläutert. Das Thema der parastomalen Hernien finden Sie gesondert in XXX Kapitel.

Stomanekrose

Eine Stomanekrose entsteht durch eine nicht ausreichende Durchblutung eines Stoma-Schenkels. Das kann durch Spannung am Meso, einer zu ausgedehnten Skelettierung oder einer zu engen Bauchdeckeninzision bedingt sein. Ist endoskopisch unter dem Hautniveau eine gut durchblutete Schleimhaut detektierbar, kann abgewartet werden. Ist die Nekrose bis in die intraabdominellen Darmsegmente nachweisbar, muss eine Stomarevision mit Darmmobilisation und Stomaneuanlage erfolgen.

Stomaretraktion

Die Stomaretraktion ist eine Einziehung des Stomas unterhalb des Hautniveaus und entsteht entweder durch eine zu kleine Faszienlücke mit einer chronischen, verminderten Durchblutung des Stomas und konsekutiver Narbenkontraktion oder durch eine nicht ausreichende Fixierung im Hautniveau. Zuviel Spannung am Meso kann ebenfalls zu einer Retraktion führen. Bei Ausbleiben einer Nekrose oder parastomalem Abszess kann das Problem durch Verwendung besonderer konvexer Stomaplatten im gewissen Maß ausgeglichen werden. Wenn es nicht adäquat versorgbar ist oder weitere Komplikationen auftreten, ist eine Revision indiziert.

Parastomale Abszesse und Fisteln

Parastomale Abszesse entstehen durch eine transluminale Stichführung und nachfolgender Infektion der Stichkanäle oder durch Superinfektion von Hämatomen in der Bauchdecke. Ein parastomaler Abszess ist je nach Lokalisation möglichst weit vom Stoma entfernt zu inzidieren. Prophylaktisch sollten die Stomanähte frühzeitig nach 7–10 Tagen entfernt werden.
Parastomale Fisteln entstehen, wenn Fixationsnähte zu tief gestochen werden und das Lumen miterfasst wird (Abb. 7). Bei fehlender Spontanheilung bleibt ebenfalls nur die Stomarevision und -neuanlage an einer anderen Lokalisation als Therapie. Diskussionsthema ist häufig die Wahl des Nahtmaterials. Hierzu gibt es sehr wenig Evidenz. Letztlich gibt es keine klare Empfehlung für oder gegen resorbierbares versus nicht resorbierbares Nahtmaterial. Auch bei Verwendung von resorbierbarem Nahtmaterial sollten die Fäden unseres Ermessens frühzeitig entfernt werden. In unserer Klinik hat sich der Fadenzug am 8.-10. p.o. Tag bewährt.

Peristomale Hautveränderungen

Die peristomalen Hautveränderungen stellen den größten Teil der Stomakomplikationen dar. Mit sogar 45 % beschrieben Herlufsen et al. 2006 die peristomalen Hautveränderungen als die häufigste Ursache für Stomakomplikationen bei 202 Pat (Herlufsen et al. 2006). Die durchschnittliche publizierte Inzidenz liegt beim Ileostoma bei bis zu 57 % und beim Kolostoma bei bis zu 35 %. Die häufigste Ursache ist eine insuffiziente Stomaversorgung wie eine zu große Öffnung der Stomaplatte oder schlechte Stomaposition. Der Teufelskreis beginnt mit der Kontamination der frei liegenden Haut mit dem säurehaltigen Stuhl. Es bildet sich ein Erythem bis hin zur Mazeration und im schlimmsten Fall eine schmerzhafte Ulzeration. Zu den peristomalen Hautveränderungen zählen aber auch Hypergranulationen am Stomarand. Sie führen zu kontaktvulnerablen Blutungen und Mazerationen durch den Rand der Stomaplattenöffnung.
Obwohl die peristomalen Hautläsionen die höchste Inzidenz unter den Stomakomplikationen hat, gab es bis dato keine allgemein gültige Nomenklatur oder Klassifizierung. 2016 wurde ein neues Klassifikationssystem, den sog. LSD-Score, von Runkel et al. publiziert. Ein auf dem LSD-Score basierender Handlungsalgorithmus empfiehlt richtungsweisende Strategien für die Stomatherapie. Die LSD-Formel führt nicht zu konkreten Therapieanweisungen, sondern lenkt frühzeitig das Behandlungsmanagement in eine fachkompetente Richtung (Ambulant behandelbar? Stationäre Einweisung erforderlich? Welche Fachrichtung?) und kann so Zeit sparen, Sekundärfolgen verhindern und Ressourcen sparen (Runkel et al. 2016).
Grundsätzlich sollte frühzeitig ein kompetenter Stomatherapeut hinzugezogen werden. Wenn die Optimierung der Stomaversorgung nicht zum gewünschten Erfolg führt, kann eine operative Revision mitunter unumgänglich werden, behebt aber nicht das Problem einer insuffizienten Stomaversorgung.

Stomastenose

Stenosen können sowohl im Haut- als auch im Faszienniveau entstehen. Sie können bei Koprostase einen Subileus/Ileus auslösen, kurzfristig durch Irrigation des Stomas und langfristig durch eine konsequente Ernährungsberatung behandelt werden. Bei symptomatischen Stomastenosen gilt es die Ursachen zu beheben. Liegt die Ursache in einer zu engen Faszienlücke kann diese durch einen kleinen Eingriff erweitert werden. Handelt es sich um langstreckige Stenosen infolge einer Ischämie des vorverlagerten Segments führt meist kein Weg an der Neuanlage des Stomas vorbei. Kutane Stenosen bedürfen einer operativen Revision (Abb. 8). Bougierungsbehandlungen sind eher nicht erfolgversprechend.

Stomaprolaps

Der Stomaprolaps ist ein Vorfall eines stomatragenden Darmschenkels. Er ist meist asymptomatisch und beim doppelläufigen Stoma, v. a. beim Transversostoma, mit bis zu 75 % am häufigsten. Die Hauptursache ist das lange Meso, begünstigend ist aber auch eine Siphonbildung oder zu weite Durchtrittsstelle. Es besteht die Möglichkeit der Inkarzeration oder einer Passagebehinderung mit Ileus, des Weiteren können Ulzerationen auftreten. Solange der Prolaps problemlos manuell reponiert werden kann, besteht kein dringender Handlungsbedarf. Die Therapie der Wahl ist die Rückverlagerung des Stomas, sofern es sich um ein temporäres Stoma handelt. Ist das nicht möglich, sehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung, Rezidive sind allerdings häufig.
  • Prolapsresektion von außen (einfachste Option)
  • Prolapsresektion mit Fixation von intraabdominell, offen oder laparoskopisch
  • Neuplazierung des Stomas
  • Reposition und Pexie des prolabierten Anteils (schlechteste Option)

High-output-Ileostoma und Kurzdarmsyndrom

Circa 6 Liter Verdauungssäfte aus Magen, Pankreas und dem Gallengangsystem werden täglich in den Dünndarm sezerniert. Zusätzlich sezerniert der Dünndarm selbst ein Liter Flüssigkeit. Ca. sechs Liter Flüssigkeit werden proximal der Ileozökalklappe rückresorbiert, im Kolon zusätzlich 800 ml. Je oraler die Stomaanlage erfolgt, umso kürzer ist die Rückresorptionsstrecke. Die Stühle werden flüssiger, was zu einem erhöhten Flüssigkeits- und Elektrolytverlust führen kann (100 mmol Na+/Liter und 15 mmol K+/Liter). Die ausgeschaltete Dünndarmresorptionsstrecke (ab 1/5 der gesamten Dünndarmlänge) kann zu so hohen Elektrolyt- und Flüssigkeitsverlusten führen, dass dies die Kompensationsmöglichkeiten der Niere übersteigt. Pathophysiologisch zeigen sich eine metabolische Acidose bei Bikarbonat- und Elektrolytverlust, ein Abfall der glomerulären Filtrationsrate (GFR), eine tubuläre Störung sowie die Entwicklung eines sekundären Hyperaldosteronismus. Schwerwiegende Folgen sind Elektrolytentgleisungen oder akutes Nierenversagen. Man spricht dann vom sogenanntem high-output-(Ileo)Stoma (syn. high-flow). Diese Komplikation gehört zu den häufigsten Ursachen für eine stationäre Wiederaufnahme nach Ileostomaanlage. Eine einheitliche Definition bezgl. des high-output-Ileostomas existiert nicht. In einigen Publikationen sind die gemessenen Flüssigkeitsverluste über das Stoma maßgebend, variieren aber stark in ihren Mengenangaben. In unserer Klinik diagnostizieren wir ein high-output-Ileostoma, wenn der Patient trotz ernährungsmedizinischer und medikamentöser Maßnahmen sowie trotz Erhöhung der oralen Flüssigkeitszufuhr den Flüssigkeitsverlust über das Stoma nicht kompensieren kann und eine parenterale Substitution notwendig wird.
Bei proximal gelegenen Dünndarmstomata kann es zusätzlich zu erheblichen Störungen der Nahrungsresorption kommen, was zu einer Stoma-assoziierten Malnutrition, dem Kurzdarmsyndrom, führt. Ursächlich ist die beschleunigte gastrointestinale Transitzeit sowie eine erhöhte fäkale Gallensäureausscheidung: Die spezifische Funktion des Ileums beinhaltet die Resorption von Vitamin B12 und Gallensäuren im Rahmen des enterohepatischen Kreislaufes. Des Weiteren wird hier die intestinale Transitzeit zum Jejunum deutlich verzögert. Dadurch wird eine adäquate Rückresorption von Wasser und Elektrolyten gewährleistet. Bei Ausschaltung des Ileums durch ein vorgeschaltetes Stoma (oder bei ausgedehnter Ileumresektion) kommt es neben Diarrhö als Folge der verkürzten Transitzeit auch zu einem irreversiblen Verlust der Gallensäurenrückresorption (chologene Diarrhö). In Folge kommt es zu einer kompensatorischen Steigerung der Gallensäurensynthese, diese reicht aber nicht aus, um den Gallesäurepool aufrecht zu erhalten. Pathophysiologisch erhöht sich dadurch die Bildung von Gallensteinen und es kommt zu einer Steatorrhö durch die Fettmalabsorption. In Konsequenz können durch die ungenügende Resorption von fettlöslichen Vitaminen Mangelerscheinungen auftreten. Patienten mit einem Ileostoma haben außerdem wegen der Verschiebung des pH in einen sauren Bereich eine erhöhte Prävalenz für eine Urolithiasis von 7–18 % (Harnsäure- und Calciumoxalatsteine). Das Kolostoma hingegen stellt bezüglich metabolischer Veränderungen kaum ein therapeutisches Problem dar. Distal angelegte Kolostomata führen in der Regel zur normalen Eindickung des Stuhles. Hier ist eher die Koprostase ein Problem.
Die Therapie des high-output-Ileostomas und/oder Kurzdarmsyndroms beinhaltet die Bausteine der Ernährungsmedizin und der medikamentösen Therapie:
Ernährungsmedizin:
  • Lebensmittel mit eindickender Wirkung (Vollkornmehl, Kartoffel, Karotten, Reis, Bananen)
  • Vermeidung von Zitrusfrüchten, Spargel, Pilzen, Nüssen, Tomaten, Getreideschrot, langfaserigen Fleischsorten
  • Bevorzugung von gedünstetem Gemüse (Karotten, Zucchini, Kohlrabi, Blumenkohl, Broccoli, Spinat)
  • Bevorzugung von säurearmem Obst: Bananen, Aprikosen, Honigmelonen, Erdbeeren, Himbeeren
  • Zubereitung fettarm, nicht salzarm
  • Kleine Zwischenmahlzeiten
  • Ausreichende Trinkmenge
Generelle Maßnahmen und medikamentöse bzw. phytotherapeutische Behandlung:
  • Engmaschige Ein- und Ausfuhrkontrolle
  • Flüssigkeits- und Elektrolytdefizit berechnen und ausgleichen (Auch auf Magnesiumverluste kontrollieren! Treten vor allem bei Jejunostomieträgern häufig auf und zeigen sich klinisch durch vermehrte Müdigkeit, Depression und allgemeine Muskelschwäche.)
  • Vitaminsubstitution
  • Therapie der ersten Wahl: Loperamid (2–4 mg/Tag p.o.), wenn nicht hilfreich dann Tinctura opii (10–60 mg/Tag p.o.)
  • Reduktion der Magensekretion: H2-Blocker (150–300 mg/Tag p.o.), Omeprazol (20–80 mg/Tag p.o.)
  • Stuhleindickende Quellmittel: Apfelpulver (Aplona®; Bindung des Flüssigkeitsüberschusses durch Quellvermögen durch den natürlichen Ballaststoff Pektin), indische Flohsamen (Schleimstoffe der Flohsamenschalen wirken als Quellstoffe, entziehen Wasser aus dem Darm und verfestigen so den Stuhl)
  • Bindung von Gallensäuren: Cholestyramin (4 g/Tag p.o.)
  • Sekretionshemmer (als Reservemedikament, antagonisiert fast alle gastrointestinalen Peptide und reduziert Sekretion von Pankreas-, Dündarm-, Gallesekret; cave: Tachyphylaxie): Somatostatin (100–300 mg/Std i.v.), Octreotid (50–300 mg/Tag s.c.)
  • Additive parenterale Ernährung bei Katabolismus
  • Bakterielle Fehlbesiedelung: Metronidazol (250–500 mg/Tag p.o.), Clindamycin (300–600 mg/Tag p.o.).
Chirurgische Therapieschritte zur Verbesserung metabolischer Probleme nach Stomaanlage sind nur in ganz begrenztem Maße möglich. Die effizienteste Therapie ist die Rückverlagerung des Stomas zum nächstmöglichen Zeitpunkt, im Zweifelsfall auch früher als geplant.
Um ein high-output-Ileostoma technisch vorzubeugen, sollte man das Stoma so aboral wie möglich anlegen, um die vorhandene Rückresorptionstrecke maximal auszunutzen.

Fazit

Die intestinale Stomaanlage gehört zu den Routineeingriffen in der Allgemein- und Viszeralchirurgie und ist deshalb auch im Weiterbildungskatalog verankert. Nur eine korrekte und komplikationsarme Stomaanlage mit adäquater Stomaversorgung führt zu einer akzeptablen Lebensqualität der Patienten. Postoperative Komplikationen dürfen nicht unterschätzt werden, denn sie sind trotz optimaler Operationstechnik häufig und können die Lebensqualität drastisch reduzieren. Daher erfordern sie ein kompetentes, individuelles Komplikationsmanagement und fordern die volle Aufmerksamkeit des Chirurgen. Eine adäquate Stomaversorgung ist unerlässlich und Voraussetzung für eine gute Lebensqualität.
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