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Uroonkologie
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Publiziert am: 02.08.2019

Uroonkologie beim älteren Patienten

Verfasst von: Ulrich Wedding und Christoph Friedrich
Uroonkologische Krebserkrankungen sind mit Ausnahme der Hodentumoren typische Erkrankungen des hohen Lebensalters. Mit einem fortgeschrittenen Lebensalter assoziiert sind gehäuft das Vorliegen von Komorbiditäten und daraus resultierender Polymedikation, Einschränkungen der Selbstversorgungsfähigkeit, kognitive Einschränkungen, Einschränkungen der Mobilität, mit dem gehäuften Auftreten von Stürzen, Depressionen, Ernährungsstörungen und mangelnde soziale Unterstützung. Zur strukturierten Erfassung dieser altersassoziierten Veränderungen, sollte ein geriatrisches Assessment erfolgen. Ein zweistufiges Vorgehen mittels Screening, kann den Aufwand reduzieren. Da alte Patienten in Studien oft unzureichend berücksichtigt wurden, existieren nur für einen Teil der uroonkologischen Krebserkrankungen spezielle Therapieempfehlungen für alte Menschen, z. B. seitens der Internationalen Gesellschaft für Geriatrische Onkologie (SIOG).

Einleitung

Mit Ausnahme der Hodentumoren stellen urologische Malignome typische Erkrankungen des höheren Lebensalters dar. Das Spektrum dieser malignen Erkrankungen reicht dabei von sehr langsamen Verläufen ohne klinisch relevante Auswirkungen auf Morbidität oder Mortalität bis zu aggressiven Erkrankungen mit erheblichen Konsequenzen. In der Behandlung älterer Patienten gilt es, die Konsequenzen einer Therapie gegen den natürlichen Verlauf der Erkrankung unter Berücksichtigung der individuellen Belastbarkeit und Prognose sowie der Patientenpräferenzen abzuwägen. Dabei muss im Blick behalten werden, dass sich die Lebenserwartung in den vergangenen 25 Jahren um etwa 3–4 Jahre verlängert hat und dieser Zugewinn an Lebenszeit von einer Kompression der terminalen Kranheitsphase begleitet wurde, somit die aktive Lebensphase noch deutlicher zugenommen hat (Lagergren et al. 2017). Bei der Bewertung von Daten und Algorithmen ist daher neben der Kohorte auch der Zeitraum der Datenerhebung relevant. Wesentliche Fragen, die es vor einer Therapieentscheidung zu beantworten gilt, sind:
  • Ist die Tumorerkrankung für den Patienten in Bezug auf die Lebenserwartung limitierend?
  • Ist die Tumorerkrankung in Bezug auf die Lebensqualität des Patienten limitierend?
  • Verbessert die Therapie die Lebensqualität oder Lebenserwartung?
  • Stehen die Therapie(neben)wirkungen in einem angemessenen Verhältnis zum Therapienutzen?

Komorbidität

Bedeutung der Komorbidität

Mit zunehmendem Alter steigt die Prävalenz der Komorbiditäten an. In den Surveillance, Epidemiology and End-Result-Program (SEER)-Studien des National Institute on Aging (NIA) und des National Cancer Institute (NCI) betrug die Rate an Komorbiditäten bei den 55- bis 64-Jährigen 2,9, bei den 65- bis 74-Jährigen 3,4 und bei den >74-Jährigen 4,2. Ähnliche Daten wurden für Europa vom Eindhovener Krebsregister an 34.000 Tumorpatienten erhoben. Ein oder mehr Komorbiditäten waren bei 12 % der <45-Jährigen, bei 28 % der 45- bis 59-Jährigen und bei 53 % der 60- bis 74-Jährigen nachzuweisen. Patienten mit einem Nierenzell-, Blasen- und Prostatakarzinom gehörten zu den Tumorpatienten mit der höchsten Prävalenz an Komorbiditäten (54, 53 und 51 %). Am häufigsten waren Herz-Kreislauf-Erkrankungen (10–30 %), chronisch obstruktive Atemwegserkrankungen (3–25 %), andere Krebserkrankungen (10–20 %) und Diabetes mellitus (5–25 %, Coebergh et al. 1999).
Komorbiditäten beeinflussen die verbleibende Lebenserwartung (Tab. 1). Im Zusammenhang mit der zu behandelnden Tumorerkrankung ist zu ermitteln, welche Erkrankung die Prognose wirklich bestimmen wird (Konkurrenz der Todesursachen). Mit dem Alter nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, dass eine der Komorbiditäten die Prognose bestimmen wird. Eine mathematische Berechnung ist mit dem DEALE-Konzept („eclining exponential approximation of life expectancy“) möglich, bei dem die Lebenserwartung invers zur Mortalitätsrate erfasst wird, wobei letztere die Summe aus altersspezifischer und krankheitsspezifischer Mortalität bildet (Welch et al. 1996).
Tab. 1
Einfluss der Anzahl der Komorbiditäten auf die verbleibende Lebenserwartung in Jahren. (Nach Albertsen et al. 1996)
Anzahl der Komorbiditäten
Alter bei Diagnose
65
70
75
0
17,9
14,8
1,9
1
15,9
12,9
10,1
2
10,8
8,4
6,3
3
4,0
2,8
1,9
Gesamt
15,7
12,7
10,0
Weiterhin ist das Problem einer Interaktion zwischen Komorbiditäten und der Tumorerkrankung zu berücksichtigen. Für das Mammakarzinom konnte Folgendes nachgewiesen werden: Bei gleicher Schwere an Komorbiditäten überstieg die Mortalitätsrate von Patientinnen mit Mammakarzinom diejenige von Patientinnen ohne Mammakarzinom um 17 % (Newschaffer et al. 1996).
Um die Bedeutung der Komorbiditäten an einem urologischen Tumor zu verdeutlichen, sei das Prostatakarzinom angeführt. Tab. 1 gibt die altersabhängige Prävalenz und Art der Komorbiditäten bei Patienten mit Prostatakarzinom wieder. Albertsen et al. (1996) untersuchten die Aussagekraft von 3 Komorbiditätsindizes (Charlson-Index, ICED und Kaplan-Feinstein-Index) zum Überleben von 451 Patienten mit lokalisiertem Prostatakarzinom im Alter zwischen 65 und 75 Jahren. Die Behandlung war in allen Fällen konservativ. Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 15,5 Jahren lebten noch 40 Patienten (9 %). 154 (43 %) waren am Prostatakarzinom gestorben, 221 (48 %) an anderen Ursachen, wobei bei 36/221 (8 %) die Todesursache nicht ermittelt werden konnte (Albertsen et al. 1996).
Alle 3 Indizes besaßen einen unabhängigen prädiktiven Wert für das Gesamtüberleben. Adjustierte man die Daten für Alter und Gleason-Score, ergab sich zudem ein zwar geringer, aber doch signifikant prädiktiver Wert für das krankheitsspezifische Überleben. Eine Schlussfolgerung aus den Daten war, dass für über 70-jährige Patienten mit Komorbiditäten (gemessen mittels des ICED-Score von 3, entsprechend 3 gut therapierte Erkrankungen bzw. 1 schlecht und 1 gut therapierte oder eingestellte oder 1 dekompensierte Erkrankung) und gut differenziertem Karzinom das kontrollierte Zuwarten der radikalen Prostatektomie überlegen ist (Kattan et al. 1997). Dies wurde bisher allerdings nicht in prospektiven Studien geprüft.
Neuere Studien (Barry et al. 2001; Froehner et al. 2003) kamen zu anderen Ergebnissen als Albertsen et al. (1996). So war die Überlebenswahrscheinlichkeit nach radikaler Prostatektomie selbst in der ungünstigsten Komorbiditätsklasse größer als die in der günstigsten Prognosegruppe in der von Albertsen et al. (1996) untersuchten Patientengruppe.
Froehner et al. (2004) ermittelten, dass 4 der 19 im Charlson-Score aufgeführten Erkrankungen für eine Erhöhung der komorbiditätsspezifischen Mortalität bei Patienten nach radikaler Prostatektomie von signifikanter Bedeutung sind. Es waren schwere Herzinsuffizienz, periphere Gefäßerkrankung, chronische Lungenerkrankung und moderate bis schwere Nierenerkrankung (Froehner et al. 2004). Zu berücksichtigen ist hierbei das Zuweisungsverhalten zur kurativ intendierten, radikalen Operation. Da für die Prognose relevante einschränkende Komorbiditäten nur unterrepräsentiert zu finden sind, kann davon ausgegangen werden, dass die nur retrospektiv untersuchten Patienten eine positive Selektion erfahren haben.

Erfassung der Komorbiditäten

Zur Erfassung von Komorbiditäten stehen verschiedene Indizes zur Verfügung (Extermann 2000). Dabei sollten Anzahl und Schwere der Erkrankungen eingehen. Die vorhandenen Indizes sind nur zum Teil an geriatrischen Populationen oder für Tumorpatienten validiert.
Die gebräuchlichsten Indizes zur Erfassung von Komorbiditäten
  • Die ASA-Klassifikation (American Society of Anesthesiology Physical Status Classification) dient der anästhesiologischen Risikoabschätzung vor einem geplanten Eingriff; Wolters et al. 1996)
  • Der Charlson-Index erfasst 19 Erkrankungen in 4 Gruppen, denen jeweils ein relativer Risikofaktor zwischen 1 und 6 fest zugeordnet ist. Die relativen Risikofaktoren werden zu einem Summenscore addiert, aus dessen Höhe sich eine Risikogruppe ergibt, mittels derer die Prognose des Patienten eingeschätzt werden kann (Charlson et al. 1987).
  • Der ICED (Index of Coexisting Disease) gliedert sich in 2 Bereiche, einen krankheitsorientierten somatischen Bereich und einen funktionellen Bereich. Es werden 14 verschiedene medizinische Konditionen und 12 Funktionszustände erfasst. Jede Kategorie wird in 4 Schweregrade unterteilt (Greenfield et al. 1987).
  • Der Kaplan-Feinstein-Index fasst 12 Kategorien von Komorbiditäten zusammen, die das längerfristige Überleben des Patienten beeinträchtigen können. Jede Kategorie ist in 4 Schweregrade unterteilt (Kaplan und Feinstein 1974).
  • Die Cumulative Illness Rating Scale existiert in einer speziellen Form für geriatrische Patienten (CIRS-G) und bewertet 14 Erkrankungsbereiche nach ihrem Schweregrad von 1–4.
Sowohl CIRS-G als auch der Charlson-Komorbiditätsindex sind bezüglich ihrer Interrater- und auch Intrarater-Reliabilität gut validiert. Außerhalb eines internistisch geprägten Umfelds erscheint der Charlson-Index aufgrund seiner strikten Definitionen der Erkrankungen praktikabler in der Durchführung.

Weitere Domänen

Mit zunehmendem Alter weisen die Organsysteme des Menschen einen intra- wie interindividuell unterschiedlich stark ausgeprägten Funktionsverlust auf. Dieser Funktionsverlust ist sowohl auf zellulärer Ebene (z. B. oxidative Leistungsfähigkeit der Granulozyten) wie auch in der Leistungsfähigkeit des Gesamtorganismus nachweisbar, sofern die Leistungsgrenze erreicht wird. Unter Alltagsbedingungen zeigt sich aufgrund der Reserven des Gesamtorganismus trotz subklinischer Defizite keine relevante Beeinträchtigung. In der Situation erhöhter Anforderung, wie einer Tumortherapie, ob chirurgisch oder konservativ, werden diese funktionellen Defizite zur Limitation der Therapie. Dabei strebt das umfassende geriatrische Assessment (Comprehensive Geriatric Assessment, CGA) eine möglichst lückenlose Abbildung der Leistungsfähigkeit des älteren Organismus an. Die Domänen und zugehörigen Tesverfahren zeigt Tab. 2.
Tab. 2
Das umfassende geriatrische Assessment
Domäne
Test
Alltagskompetenz
Instrumentelle Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL)
Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL)
Kognition
Mini Mental Status Examination (MMSE) DemTect
Depression
Geriatrische Depressionsskala (GDS)
Mobilität
Timed-up&go-Test Chair-rising-Test Mobilitätstest nach Tinetti
Komorbidität
Charlson-Index Cumulative Illness Rating Scale (CIRS-G) Index of Coexisting Diseases (ICED)
Ernährung
Mini Nutritional Assessment (MNA)
Soziale Situation
Erhebung der Versorgungsstruktur, Unterstützung
Generische Instrumente: SF 12/36 EuroQOL COOP-Charts Tumorspezifische Instrumente: QLQ-C30 mit Zusatzmodulen FACT

Alltagskompetenz

Die Alltagskompetenz wird in zwei Bereiche differenziert. Die Grundversorgung körperlicher Bedürfnisse wird in den ADL nach Barthel erfasst. Dieser Index bewertet in einer 5-Punkte-Stufung die Bereiche Baden und Waschen mit jeweils 5 Punkten, Essen, Toilettenbenutzung, Treppensteigen, An- und Auskleiden sowie Stuhl- und Harnkontinenz mit jeweils 10 Punkten sowie Gehen und Transfer mit jeweils 15 Punkten. Aus dem sich ergebenden Summenwert zwischen 0 und 100 kann der Grundpflegebedarf abgeschätzt werden.
Dabei ist aber zu beachten, dass der Test eine deutliche Tendenz oberhalb von 85 Punkten aufweist, die dazu führt, dass geringe Defizite nicht adäquat erfasst werden. Die einzelnen Bereiche können nur begrenzt gegeneinander aufgerechnet werden, sodass stets alle Bereiche einzeln berücksichtigt werden müssen. Werte unter 80 Punkten weisen auf einen relevanten täglichen Hilfsbedarf in der Grundversorgung des Betroffenen hin, d. h. Pflegebedürftigkeit.
Die instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens (IADL) betreffen die Fähigkeit, einen Haushalt selbstständig zu führen. Einkaufen, Telefonbenutzung, Kochen, Wäsche waschen, Benutzung von Transportmitteln, selbstständige Medikamenteneinnahme sowie Regelung der Geld- und Finanzangelegenheiten finden hierbei Berücksichtigung (Mahoney und Barthel 1965; Lawton und Brody 1988).
Mit dem IADL-ADL-Konzept lässt sich die Lebensführung von der Selbstständigkeit im eigenen Haushalt bis zum fortgeschrittenen Grundpflegebedarf abbilden. Defizite in einer oder mehreren IADL-Domänen gehen mit einer Verdoppelung der 2-Jahres-Mortalität sowie einem 55 %igen Risiko für die Entwicklung einer Demenz in den beiden Folgejahren einher, Defizite in einer ADL-Domäne führen zu einer Verdreifachung der 2-Jahres-Mortalität.
Wesentlicher Bestandteil der ADL- und IADL-Bewertung ist nicht das potenzielle Leistungsvermögen des Betroffenen, sondern nur die tatsächlich erbrachte Leistung. Eine externe Validierung der Angaben ist bei Bedarf z. B. durch Angehörige notwendig.

Mobilität

Eingeschränkte Mobilität und Stürze stellen in der Geriatrie einen wichtigen Risikoindikator dar. Stürze spielen dabei nicht nur durch ihre unmittelbaren Konsequenzen mit Verletzungen im muskuloskelettalen Bereich eine Rolle, sondern dienen auch als Indikator für Gebrechlichkeit. So ist bei rezidivierenden Stürzen davon auszugehen, dass eine dauernde Immobilität droht. Die orientierende Bewertung des Risikos lässt sich dabei in zwei Bereiche gliedern: anamnestische Angaben („Sind Sie in den letzten 8 Wochen gestürzt?“) sowie einfache Tests.
Der Timed-up&go-Test misst die Zeit, die der Patient unter Nutzung seiner üblichen Hilfsmittel benötigt, um von einem Stuhl aufzustehen, 3 m zu gehen und sich wieder zu setzen. Zeiten bis 10 s sind normal, Zeiten über 19 s weisen auf (I)ADL-relevante Defizite hin. Risikopersonen zwischen 11 und 20 s sollten frühzeitig entsprechend unterstützend therapiert werden, da bei einer Immobilisierung durch operative oder konservative Therapie durch den resultierenden Muskelabbau rasch die Grenze zur klinischen Relevanz erreicht wird (Podsiadlo und Richardson 1991).

Kognition

Kognitive Defizite nehmen in ihrer Prävalenz mit zunehmendem Alter deutlich zu. So zeigen nur etwa 1 % der unter 65-Jährigen eine Demenz, während bereits knapp 6 % der Patienten zwischen 75 und 79 Jahren demenzielle Symptome aufweisen. Dabei lassen sich zwei Problemgruppen identifizieren. Die erste Gruppe mit mittleren und schweren Demenzsymptomen stellt in ihrer Erkennung kein eigentliches Problem dar. Wesentlich schwieriger ist die Einschätzung, wie weit fortgeschritten die Demenz in Bezug auf Krankheitsverständnis und Einwilligungsfähigkeit ist. Diese Entscheidung ist nur individuell unter Hinzuziehung entsprechender Fachkompetenz zu treffen.
Die Gruppe der Patienten mit leichten demenziellen Veränderungen dagegen stellt eine diagnostische Herausforderung dar, da im unmittelbaren Patientenkontakt diese Defizite nicht mehr offensichtlich werden und von den Patienten, denen die Defizite in aller Regel bewusst sind, auch sehr geschickt hinter einer Fassade verborgen werden. Diese Patienten sind dabei besonders gefährdet, einen postoperativen Verwirrtheitszustand zu entwickeln, oder sie zeigen in ambulanten Therapiekonzepten erhebliche Complianceprobleme.
Die zur raschen präinterventionellen Diagnostik zur Verfügung stehenden Tests sind in Tab. 3 dargestellt (Folstein et al. 1975; Kalbe et al. 2004; Watson et al. 1993).
Tab. 3
Stärken und Schwächen der Instrumente zur Kognitionstestung
Instrument
Stärke
Schwäche
Zeitbedarf
MMSE (Mini Mental State Examination)
Weit verbreitet, Standardinstrument, leichte bis mittelschwere Demenzformen
Unempfindlich in den Anfangsstadien einer Demenz, bildungsabhängig
10 min
DemTect
Differenzierung der leichten Einschränkungen, gute Patientenakzeptanz
Geringere Verbreitung als MMSE, mittelschwere und schwerere Demenzen können nicht differenziert werden
10 min
Clock Completion Test (Uhrentest)
Schnell und einfach durchzuführen, intuitiv verständlich
Unterschiedliche Auswertungs- und Bewertungsskalen
2 min
Der Zeitbedarf orientiert sich an einem leichtgradig eingeschränkten Patienten, die Zeiten verkürzen sich bei unbeeinträchtigten Patienten um bis zu 50 %

Depression

Depressionen gehören zu den relevant unterdiagnostizierten Erkrankungen älterer Patienten. Dabei führen sie direkt und mittelbar über sozialen Rückzug mit Vereinsamungstendenzen und den Verlust funktioneller Kapazität zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität. In der belastenden Situation der Konfrontation mit der Diagnose einer malignen Tumorerkrankung stellt eine resignative Haltung auf dem Boden einer Depression eine erhebliche Gefährdung des Therapieerfolgs dar.
Zum einfachen Screening auf das Vorliegen einer Depression eignet sich die Kurzform der Geriatrischen Depressionsskala (GDS). Das Instrument besteht aus 15 Fragen und kann vom Patienten selbst ausgefüllt werden. Ab 6 bzw. 11 Punkten besteht Verdacht bzw. hochgradiger Verdacht auf das Vorliegen einer Depression, der eine weitergehende Abklärung und Therapie rechtfertigt (Sheikh und Yesavage 1986).

Ernährung

Ältere Patienten sind häufig nicht optimal ernährt. Dabei stehen Fehl- und Mangelernährung im Vordergrund. Man kann zwischen einer kalorischen und einer proteinbezogenen Mangelernährung unterscheiden. Es konnte mehrfach gezeigt werden, dass diese Mangelzustände Risikofaktoren für erhöhte Morbidität und Mortalität darstellen.
Die laborchemische Bestimmung von Albumin, Cholesterin und Präalbumin in Verbindung mit dem Body-Mass-Index (BMI) erfassen die Konsequenzen einer bereits bestehenden Malnutrition. Gerade bei Patienten mit geplanter Chemotherapie oder Radiotherapie im Bereich des Verdauungstrakts ist eine frühzeitige Erfassung präklinischer Defizite vor der Therapie sinnvoll, um behebbare Ursachen frühzeitig zu behandeln. Zur Erfassung eignet sich das Mini Nutritional Assessment, das in validierten Übersetzungen vorliegt. Hierbei werden sowohl der Ernährungszustand als auch Verhaltensmuster, die ein Risiko für Fehlernährung darstellen, erfasst und auf einer Skala zwischen 0 und 30 Punkten abgebildet. Bei weniger als 24 Punkten besteht das Risiko einer Mangelernährung, unter 17 Punkten ist von einer manifesten Mangelernährung auszugehen (Guigoz et al. 1994).

Soziale Unterstützung

Die Familienstrukturen innerhalb der Gruppe der alten Patienten sind sehr heterogen. Die Bedeutung dieses Bereichs im Unterschied zu jungen Patienten wird durch die begrenzten Kompensationsmöglichkeiten insbesondere funktioneller Art bestimmt. Bei Patienten mit relevanten Defiziten in den Bereichen ADL und IADL stellen die sozialen Bedingungen den bestimmenden Faktor für eine erfolgreiche Therapie außerhalb der Klinik dar. Da die Patienten selbst ihre sozialen Defizite häufig nicht thematisieren, kommt der aktiven Erfassung vor einer Therapieplanung eine besondere Bedeutung zu. So kann eine entsprechende Versorgung durch ambulante Pflegedienste oder in tagesklinischen Strukturen sinnvoll sein.

Geriatrisches Assessment

Da die vorstehend genannten Bereiche der konventionellen Anamneseerhebung und klinischen Untersuchung häufig entgehen, aber von prognostischer und therapeutischer Relevanz sind, wurde in der Geriatrie das systematische geriatrische Assessment etabliert. Es dient der strukturierten Erfassung der individuellen Ressourcen und Defizite eines Patienten. Die Anwendung des geriatrischen Assessments im Rahmen der Betreuung alter Patienten mit Krebserkrankungen führt zur Diagnose von Defiziten, die dem konventionellen Vorgehen entgangen wären, diese Veränderungen können in einer Änderung des Behandlungsplans resultieren. Sie sind darüber hinaus von prognostischer Bedeutung für die Lebensqualität, die Durchführbarkeit und Toxizität einer Therapie und für das Überleben. Nationale und internationale Fachgesellschaften empfehlen daher die Integration des strukturierten geriatrischen Assessments in die Betreuung alter Patienten mit Krebserkrankungen (Friedrich et al. 2003).
Aufgrund des zeitlichen Umfangs des Assessments kann ein zweistufiges Vorgehen sinnvoll sein (). Im ersten Schritt werden über ein Screening diejenigen Patienten identifiziert, die auch im vollständigen Assessment keine Einschränkungen aufweisen, um nur jene Patienten einem vollständigen Assessment zuzuführen, bei denen Defizite zu finden sein werden. Hierfür bietet sich die VES-13-Skala an, für die es Erfahrungen mit Prostatakarzinompatienten gibt (Mohile et al. 2007). Am verbreitetsten und von Decoster et al. (2015) als ein mögliches Instrument empfohlen ist der G8-Score (Soubeyran et al. 2014). In einem systematischen Review erwiesen sich Screeninginstrumente allerdings als nicht ausreichend sensitiv und spezifisch (Hamaker et al. 2012).

Operatives Vorgehen im Alter

Unter den urologischen Tumoren stellt insbesondere das muskelinvasive Harnblasenkarzinom eine besondere Herausforderung dar. Das operative Vorgehen ist aufwendig und mit einem relevanten Komplikationsrisiko behaftet.
In einem aktuellen Review wurden Morbidität und Mortalität nach radikaler Zystektomie untersucht (Froehner et al. 2009). Von 42 eingegangenen Studien beschäftigten sich 20 Studien mit älteren Patienten, wobei von den meisten Autoren als ältere Patienten solche mit einem Alter über 75 Jahre definiert wurden. In einer Studie mit mehr als 100 über 80-jährigen Patienten zeigte sich für die Gesamtkomplikationsrate ein Trend zu höheren Werten bei den älteren Patienten (72 vs. 64 %, p = 0,08), wohingegen sich für schwere Komplikationen kein Unterschied ergab (17 vs. 13 %, p = 0,3) (Donat et al. 2010). Die am häufigsten genannten Komplikationen in den verschiedenen Studien waren Ileus (2–32 %), Infektionen, besonders Pyelonephritiden (5–39 %) und weitere mit der Harnableitung verbundene Komplikationen (bis 33 %). Daneben spielen gerade im höheren Alter Verwirrtheitszustände eine Rolle, die durchaus aus den zuvor genannten Komplikationen resultieren können.
Die 30-Tage-Mortalität in der Studie von Donat et al. war bei den über 80-Jährigen 3-mal so hoch wie bei jüngeren Patienten (3,2 vs. 1,2 %). In den weiteren Studien des Reviews hatte die Mortalität eine Spannbreite von 0–11 %. Dabei wiesen Studien mit sehr niedrigen Mortalitätsraten geringe Patientenzahlen auf und bezogen sich meistens auf einen Zeitraum bis maximal 30 Tage postoperativ. 3 Studien konnten eine Korrelation zwischen dem Alter und der 90-Tage-Mortalität zeigen, die bei Patienten ≥65 Jahre 5,5 % (Boström et al. 2009), bei Patienten ≥75 Jahre 7,5 % (Zebic et al. 2005) und solchen ≥80 Jahre 11 % (Mendiola et al. 2007) betrug.
In einer Studie aus dem Jahr 2011 mit 830 Patienten zur Bedeutung der Komorbidität im Hinblick auf Morbidität und Mortalität nach Zystektomie ergaben sich als häufigste Komorbiditäten kardiovaskuläre Erkrankungen, Diabetes mellitus, Adipositas, respiratorische und zerebrovaskuläre Erkrankungen sowie Niereninsuffizienz. Signifikante Unterschiede zwischen jüngeren und älteren Patienten bestanden für Hypertonie (38,5 vs. 57,3 %), KHK (14,8 vs. 27,1 %) und Diabetes (14,6 vs. 25,5 %) (Novotny et al. 2012).
Bestehende Komorbiditäten und höhere postoperative Komplikationsraten sprechen dafür, dass ältere Menschen in der postoperativen Phase großer Operationen besonderer Aufmerksamkeit und Betreuung bedürfen.
Eine 2011 publizierte Studie befasste sich mit dem prognostischen Wert des Alters von Patienten, die sich einer Zystektomie unterziehen (Chromecki et al. 2011). Ältere Patienten hatten signifikant höhere Tumorstadien, eine höhere Rezidivrate und eine höhere krankheitsspezifische Mortalität. Dies bestätigte auch eine deutsche Multicenterstudie (May et al. 2011). Sucht man nach Gründen, muss man erwähnen, dass das Intervall zwischen Diagnose und Zystektomie bei älteren Patienten häufig länger ist (Chang et al. 2003), das Ausmaß der Lymphadenektomie eher begrenzt ist und dass deutlich seltener eine neoadjuvante oder adjuvante Chemotherapie erfolgt (Shariat et al. 2009).
Andererseits belegen Studien, dass auch im hohen Alter Patienten nach Zystektomie und Anlage einer Neoblase einen positiven Verlauf zeigen (Clark et al. 2005a, b; Sogni et al. 2008). In einer aktuellen Arbeit von Weizer et al. (2007) konnte gezeigt werden, dass der Karnofsky-Index des Patienten ein guter Prognosefaktor im Hinblick auf den Verlauf bei muskelinvasivem Harnblasenkarzinom und möglichen Therapien ist.
Eine andere Problematik besteht bei der radikalen Prostatektomie. Durch die Intention des kurativen Eingriffs als langfristig prognoserelevante Operation kommt den konkurrierenden Begleiterkrankungen sowie funktionellen Defiziten eine besondere Rolle zu. Defizite in den IADL und Komorbiditäten weisen auf eine relevante Einschränkung der Lebenserwartung hin, sodass sie in die Therapieplanung frühzeitig mit einbezogen werden sollten (Fitzpatrick 2008; Kastner et al. 2006).

Chemotherapie im Alter

Neben allgemeinen Hinweisen zur Durchführung einer Chemotherapie bei alten Patienten finden sich nachfolgend Empfehlungen für einzelne im Alter häufig auftretende Tumorerkrankungen des Urogenitaltrakts.

Systemische Therapie allgemein

Chemotherapie im Alter muss mehrere Faktoren berücksichtigen. So verändert sich die Verteilung der Kompartimente mit der Konsequenz eines um 15–20 % größeren Fettanteils. Gleichzeitig führen Alterungsvorgänge an den verschiedenen Organsystemen zu einer verminderten Stoffwechselleistung insbesondere der Nieren, was bei der Dosisberechnung entsprechender Substanzen berücksichtigt werden muss. Komorbiditäten bedingen häufig vor Therapie bereits eine medikamentöse Behandlung, sodass Wechselwirkungen im Alter häufiger zu erwarten sind. Dies ist insbesondere deswegen von Bedeutung, weil der hepatische Metabolismus der meisten Substanzen im Alter nur unwesentlich verändert ist.
Im Bereich der hämatologischen Toxizität ist das Regenerationspotenzial, bedingt durch eine Abnahme sowohl der Stammzellpopulation selbst als auch ihrer Regenerationsfähigkeit, im Alter reduziert. Daher sollte bei Patienten über 70 Jahren bei Therapieschemata mit einer moderaten bis hohen Knochenmarktoxizität der Einsatz von Wachstumsfaktoren erwogen werden.
Gastrointestinale Toxizitäten spielen vor dem Hintergrund einer häufig bestehenden subklinischen Mangelernährung eine relevante Rolle und sollten frühzeitig durch Supportivmaßnahmen angegangen werden.
Neurotoxische Therapieschemata sollten bei Patienten mit vorbestehenden klinischen oder subklinischen Schäden nur vorsichtig und unter engmaschiger Kontrolle eingesetzt werden. Hierbei sind insbesondere Patienten mit Diabetes mellitus unter Taxan-/Platin-haltigen Regimes zu erwähnen.
Zytostatische Therapien sind unter Berücksichtigung der Kontraindikationen auch bei älteren Patienten durchführbar. Bei der Durchführung und Planung der Therapie ist aber nicht nur die reine Toxizitätsklasse von Bedeutung, sondern auch ihre Konsequenz für die Lebensqualität und die Kompensationsfähigkeit des Patienten. In Verbindung mit der Therapiezielplanung können besser verträgliche, wenngleich auf das Überleben nicht so wirksame Therapien vorteilhaft sein (Wildiers et al. 2003).

Systemische Therapie des Prostatakarzinoms

Die nachfolgenden Empfehlungen basieren zum einen auf der S3 Leitlinie Prostatakarzinom und zum anderen auf den Empfehlungen der Internationalen Gesellschaft für Geriatrische Onkologie zur Therapie von älteren Patienten mit Prostatakarzinom (Droz et al. 2017; Mottet et al. 2017; Cornford et al. 2017). Weitergehende Empfehlungen finden sich in Wehling et al. 2019.
Patienten mit Prostatakarzinom werden nicht optimal betreut, wenn das wesentliche Entscheidungskriterium das chronologische Alter des Patienten ist. Wesentlich ist die Erfassung der Komorbiditäten, des funktionellen Status und der weiteren Parameter des geriatrischen Assessments. Im Rahmen der endokrinen Therapie ist insbesondere der metabolischen Situation, der kardiovaskulären und der ossären Situation Rechnung zu tragen. Im Rahmen der systemischen Chemotherapie ist bei Vorliegen schwerer Komorbiditäten und funktioneller Einschränkungen mit einer erhöhten Toxizität und damit einem geringeren Behandlungsvorteil zu rechnen.
Aktuelle klinische Studien zeigten, dass die Effektivität neuer Substanzen (Cabazitaxel und Arbiraterone) nicht vom chronologischen Alter, sondern vom guten Performance-Status (ECOG 0–1) abhängig ist (de Bono et al. 2010, 2011).
In der Therapie des fortgeschrittenen Prostatakarizinoms wird zunächst unterschieden, ob es sich um ein hormonsensitives oder nicht-hormonsensitives Prostatakarzinom handelt.
Hormonsensitives Prostatakarzinom:
Bei Patienten in gutem Allgemeinzustand (ECOG 0-1) mit metastasiertem (M1), hormon-sensitiven Prostatakarzinom kann zusätzlich zur Androgendeprivation eine Chemotherapie mit Docetaxel oder eine ergänzende antihormonelle Therapie mit Abirateron (plus Prednison/Prednisolon) empfohlen werden. Patienten, die nicht für eine Kombinationsbehandlung in Frage kommen, soll eine Androgendeprivation empfohlen werden. Der Vorteil im Gesamtüberleben für die Chemotherapie zusätzlich zur Androgenprivation beträgt 13–15 Monate, wird aber zu Lasten von z. T. auch schweren Nebenwirkungen erkauft. Der Vorteil im 3-Jahresüberleben zwischen einer Androgendeprivation plus Arbiraterone und einer alleinigen Androgendeprivation betrug 17 % (83 % vs. 66 %).
Therapie des androgenunabhängigen oder kastrationsresistenten Prostatakarzinoms
Bei Patienten mit symptomatischer progredienter Erkrankung unter medikamentöser Kastration folgende für eine Therapieentscheidung ausschlaggebende Faktoren sollen bedacht werden:
  • Symptomatik
  • Nebenwirkungen der Therapieoptionen
  • Patientenpräferenz
  • Komorbidität, Lebenserwartung und Lebensqualität
  • Progressionsdynamik
  • Lokalisation von Metastasen und generelle Tumorlast
Ein Geriatrisches Assessment ist zur Entscheidungsfindung vor Einleitung einer tu-morspezifischen Therapie bei multimorbiden Patienten über 70 Jahre hilfreich. Ggf. kann durch geriatrische Interventionen der Allgemeinzustand des Patienten verbessert werden und damit die therapeutische Belastbarkeit.
Patienten mit metastasierter, kastrationsresistenter, symptomatischer progredienter Erkrankung und gutem Allgemeinzustand soll als Erstlinientherapie eine systemische Therapie empfohlen werden. Zur Option stehen: Arbiraterone, Enzalutamid, Docetaxel, Carbacitaxel und bei ausschließlich ossärer Metastasierung Radium 223.
Patienten mit kastrationsresistenter, symptomatischer, progredienter Erkrankung und reduziertem Allgemeinzustand (ECOG ≥ 2, Karnofsky-Index < 70) soll eine symptombezogene Therapie angeboten werden, ggf. ergänzt um eine tumorspezifische Therapie, wobei Nutzen und Schaden kritisch abzuwägen sind.

Systemische Therapie des Nierenzellkarzinoms

Die gegenwärtig empfohlenen systemischen Behandlungen des fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms sind bisher nicht speziell bei alten Patienten geprüft worden. Retrospektive Analysen von Subgruppen der großen klinischen Studien für die neuen Substanzen Avelumab (Motzer et al. 2019), Axitinib, Pembrolizumab (Rini et al. 2019), Sorafenib, Sunitinib und Temsirolimus sind nur bedingt aussagefähig. Sie legen nahe, dass die Effektivität der Therapie, sprich das progressionsfreie und das Gesamtüberleben bei jungen und alten Patienten, in der Regel solche älter als 65 Jahre, nicht unterschiedlich ist, und dass auch die Toxizitätsrate nicht wesentlich erhöht ist. Allerdings handelt es sich um selektionierte alte Patienten. Zudem sind die Daten für sehr alte, über 80-jährige Patienten sehr begrenzt. Eine aktuelle Zusammenfassung erfolgte durch Kanesvaran et al. (2018) im Namen der Internationalen Gesellschaft für Geriatrische Onkologie (SIOG)().

Systemische Therapie des Harnblasenkarzinoms

Im Rahmen operativer Eingriffe bei alten, über 70-jährigen Patienten mit muskelinvasivem Harnblasenkarzinom ist der Performance-Status (ECOG- oder Karnofsky-Performance-Status) von herausragender Bedeutung für das Überleben (Weizer et al. 2007). Zur systemischen Chemotherapie bei alten Patienten gibt es nur sehr wenige Daten. Das klassische MVAC-Protokoll ist relativ toxisch, eine Kombinationschemotherapie, z. B. mit Cis- oder Carboplatin und Gemcitabine, oder eine Monochemotherapie, z. B. mit Carboplatin, Taxan, Gemcitabine oder Vinflunine, ist, wenn die Indikation zur palliativen Chemotherapie gestellt wird, zu präferieren. Der Stellenwert neuer zielgerichteter Substanzen ist derzeit noch unklar (Bamias et al. 2006). Seitens Galsky werden Empfehlungen gegeben, wie ältere Patienten behandelt werden können, da die Behandlung alter und sehr alter Patienten trotz sehr begrenzter Studiendaten ein häufiges klinisches Problem darstellt (Galsky 2015).

Strahlentherapie im Alter

Die Toxizität einer Radiotherapie ändert sich mit zunehmendem Lebensalter nur gering. In der Planung der Therapie spielen aber bei den meist ambulanten Therapiekonzepten soziale Aspekte wie das soziale Netzwerk und verfügbare Unterstützung eine wesentliche Rolle. Defizite im IADL-Bereich und gleichzeitig nicht ausreichend vorhandene Kompensation durch soziale Unterstützung sind dabei therapielimitierend. Eine Übersicht findet sich bei Wendt (Wendt 2002).
Toxizitäten bei Bestrahlungen mit abdominellen Feldern können analog der Chemotherapie vorbestehende nutritive Defizite durch verminderte Reserven klinisch relevant werden lassen (Ausili-Cefaro und Olmi 2001).
Zusammenfassende Bewertung
Die epidemiologischen Besonderheiten maligner urologischer Tumoren wie auch die demografische Entwicklung werden in den nächsten Jahren zu einer zunehmenden Anzahl betroffener Patienten führen. Gleichzeitig steigt die allgemeine Lebenserwartung kontinuierlich an, sodass auch ältere Patienten zunehmend unter kurativen Aspekten behandelt werden können. Therapeutischer Nihilismus allein aufgrund des chronologischen Alters ist nicht gerechtfertigt.
Der großen Heterogenität alter Menschen trägt die Integration eines systematischen geriatrischen Assessments Rechnung. Es kann dabei in drei Bereichen die Entscheidungsfindung für ein optimales Vorgehen unterstützen. So gilt es, die Patienten zu erfassen, die trotz ihres kalendarischen Alters funktionell überdurchschnittlich leistungsfähig und belastbar sind und somit für aggressivere Therapiestrategien in Frage kommen. Eine zweite Gruppe stellen die Patienten mit relevanten tumorunabhängigen Einschränkungen dar. Diese funktionellen Einschränkungen sind nicht an ein bestimmtes Alter gebunden, sondern korrelieren nur mit dem Alter. So kann ein kalendarisch junger Patient funktionell „alt“ sein und einer intensiveren Begleittherapie oder Umfeldanpassung bedürfen. Eine dritte Gruppe alter Patienten stellen diejenigen dar, die tumorbedingte und altersbedingte Einschränkungen aufweisen.
Eine multidisziplinäre Begleitung dieser Patienten während einer Tumortherapie lässt eine relevante Verbesserung der Ergebnisse erwarten.
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