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Orthopädie und Unfallchirurgie
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Publiziert am: 11.04.2021

Patellafrakturen und Patella partitia beim Kind

Verfasst von: Nina Hörlesberger und Annelie-Martina Weinberg
Patellafrakturen gehören zu den seltenen Brüchen im Kindesalter, da die Patella durch den überwiegend knorpeligen Anteil und dessen dicke Schicht geschützt ist. Die häufigste Frakturform im Kindes- und Jugendalter stellt mit in etwa der Hälfte aller Patellafrakturen die Sleeve-Fraktur (Avulsionsfraktur der Kniescheibe) dar. Klassische Frakturzeichen wie lokale Schwellung, ein Hämarthros, Druckdolenz, Krepitation und eine schmerzbedingte Bewegungseinschränkung sind Hinweise auf eine mögliche Fraktur. Bei Abrissfrakturen kann klinisch zusätzlich das Bild einer Patella alta oder baja auftreten. Ziel jeder Therapie ist die Wiederherstellung der retropatellaren Fläche, um eine frühzeitige Arthrose zu verhindern. Gelenkstufen bis maximal 2 mm können toleriert werden, höhergradige Dislokationen, Begleitverletzungen des Streckapparates mit aufgehobener Streckfunktion, Sleeve-Frakturen (Avulsionsfrakturen) sowie offene Frakturen stellen eine Operationsindikation dar. Durch konfluierende Ossifikationskerne entsteht zwischen dem 3.–6. Lebensjahr nach und nach die eigentliche knöcherne Patella, die um das 10. Lebensjahr ihre eigentliche Form erreicht. Unvollständige Zusammenschlüsse dieser Ossifikationszentren resultieren in einer Patella partita, meist mit einem oberen lateralen Fragment als sogenannte Patella bipartita. Prinzipiell hat eine Patella partita keinen Krankheitswert, sie kann jedoch Ursache für den vorderen Knieschmerz sein.

Allgemeines

Ursachen und Häufigkeit

Patellafrakturen gehören zu den seltenen Brüchen im Kindesalter, einerseits aufgrund der späten Anlage der klassischen knöchernen Kniescheibe, andererseits durch ausreichend vorhandenen Knorpelschutz. Bis zu 6,5 % aller Frakturen bei Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren betreffen die Kniescheibe. In den meisten Fällen sind die Kinder älter als 12 Jahre alt (Ruffing et al. 2017).
Ursächlich sind meist Verkehrsunfälle, aber auch direkte, schwere Stürze auf das Knie, häufig im Rahmen von Sportunfällen. Buben sind in etwa dreimal häufiger betroffen als Mädchen.
Als indirekte Unfallfolge kann eine übermäßige, plötzliche Anspannung des Streckapparates zu einer Avulsionsfraktur des proximalen oder distalen Patellapols führen. Eine spezielle Entität ist hier die sogenannte Sleeve-Fraktur, eine Abrissfraktur meist des distalen Pols. Diese ist mit etwas mehr als der Hälfte aller Patellafrakturen die häufigste Form der Patellafraktur im Kindes- und Jugendalter (Hunt und Somashekar 2005).
Im Vergleich zum Erwachsenen kommt es beim Kind am Sehnen- bzw. Bänder-Knochen-Übergang zu einer Vermischung zwischen Knorpel- und Kollagenfasern der Sehnen, was im Falle einer großen Krafteinwirkung eher zur Avulsion als zum direkten Sehnenriss führt (Hunt und Somashekar 2005). Diese Abrissfrakturen finden sich auch häufig im Rahmen von Kniescheibenluxationen und treten häufiger medial als lateral auf.
Pathologische Kniescheibenfrakturen im Kindesalter sind eine Rarität. In den meisten Fällen entstehen sie sekundär auf Basis eines benignen Tumors (häufig Knochenzysten, Riesenzelltumoren), spontan oder im Rahmen eines Bagatelltraumas. Aber auch sogenannte „tumor-like-lesions“, metabolische Erkrankungen und Knocheninfekte, können eine Ursache sein. Ausgesprochen selten sind primäre maligne Tumoren (Osteosarkome) oder Metastasen ursächlich für eine kindliche Patellafraktur (Canavese et al. 2016).

Entwicklung und Wachstum

Ossifikationskerne

Die Patella des Neugeborenen besteht aus Knorpel. Meist durch mehrere nach und nach konfluierende Ossifikationskerne beginnt die Ossifikation der Patella zwischen dem 3.–6. Lebensjahr, die bis zur Pubertät abgeschlossen ist. Um das 10. Lebensjahr erhält die Patella ihre eigentliche Form. Die größer werdenden Knochenkerne können irregulär begrenzt erscheinen, als letztes verschmilzt der obere laterale Kern (Abb. 1). Unvollständige Zusammenschlüsse resultieren in einer Partella bi- oder multipartita.

Patella bi- oder multipartita

In der Literatur wird die Inzidenz einer Patella bipartita zwischen 0,2–1,7 % beziffert, wobei das männliche Geschlecht häufiger betroffen ist. Ein bilaterales Auftreten wird zwischen 25–43 % beschrieben (Oohashi 2015). Oohashi et al. publizierten eine Klassifikation unter Berücksichtigung der Lokalisation als auch der Fragmentanzahl (Abb. 2) (Oohashi 2015; Oohashi et al. 2010).
1–2 % aller Patellae bi- und multipartitae sind symptomatisch. Insbesondere bei Adoleszenten und jungen Athleten kann sie ursächlich für den vorderen Knieschmerz sein. Mittels Magnetresonanztomografie (MRT) kann in solchen Fällen ein Flüssigkeitssaum im Bereich der Segmente dargestellt und die Segmentbeweglichkeit als Ursache der Schmerzen gefunden werden. Wenngleich in manchen Studien die Fragmentexzision als Therapiewahl postuliert wird, ist sie als Routinetherapie nach wie vor kontrovers diskutiert (Oohashi 2015; McMahon et al. 2016).

Spontankorrektur

Die Kniescheibe selbst als Summation mehrerer konfluierender Ossifikationszentren ist keine klassische Epiphyse, weshalb eine Spontankorrektur bei verbliebenen Fehlstellungen nicht zu erwarten ist. Aufgrund ihrer knorpelüberzogenen Gelenkfläche und als intraartikulärer Gelenkanteil müssen Gelenkstufen anatomisch rekonstruiert werden.

Wachstumsstörungen/Fehlbildungen

Eine Patellahypoplasie oder -agnesie kann isoliert oder im Rahmen eines genetischen Syndroms (Nail-Patella-Syndrom, Small-Patella-Syndrom etc.) auftreten. Knieschmerzen, Instabilitäten sowie Bewegungseinschränkungen, aber auch Patellaluxationen und frühzeitige Arthrose können daraus resultieren (Vanlerberghe et al. 2018).

Klassifikation

Nach dem Frakturverlauf können Quer-, Schräg-, Längs- und Trümmerfrakturen unterschieden werden. Davon differenziert werden Avulsionsfrakturen des proximalen oder distalen Patellapols. Eine Besonderheit im Kindesalter stellt die Sleeve-Fraktur dar.
Hierbei kommt es zum Ausriss eines größeren, gelenktragenden knorpeligen Anteils der Patella, des Periosts und des Retinakulums (Hunt und Somashekar 2005). Die Patella-Sleeve-Frakturen können nach Grogan in 4 Gruppen klassifiziert werden (Abb. 3) (Grogan et al. 1990):
  • Superiore Sleeve-Fraktur
  • Inferiore Sleeve-Fraktur (häufigste Form)
  • Mediale Sleeve-Fraktur
  • Laterale Sleeve-Fraktur (im Sinne der chronischen Patella bipartita)
Eine gesonderte AO-Klassifikation der kindlichen Patella existiert nicht, nach Verschmelzung der Knochenkerne (Beginn der Verschmelzung ca. 8–10. Lebensjahr) können diese nach dem AO-Schema klassifiziert werden.
Differenzialdiagnostisch abzugrenzen sind jedenfalls bi- bzw. multipartite Kniescheiben, die auf Basis eines unvollständigen Zusammenschlusses zweier oder mehrerer Ossifikationszentren als suspekte Fraktur missinterpretiert werden können. Klassisch findet sich eine zweigeteilte Kniescheibe mit einem lateralen, oberen Fragment (Maloney et al. 2018). Auch akzessorische Ossikel können als Frakturfragmente fehlgedeutet werden.

Diagnostik

Klinik

Einen ersten, oft schon sehr deutlichen Anhaltspunkt bietet die Klinik. Klassische Frakturzeichen wie die lokale Schwellung meist in Kombination mit einem Hämarthros, Druckdolenz, Hämatomverfärbung, Krepitation und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung geben erste Hinweise. Bei Abrissfrakturen findet sich gelegentlich eine Patella alta oder baja.

Primärer Notfall

Offene Frakturen stellen eine unbedingte Notfallindikation dar. Alle dislozierten Frakturen und Verletzungen des Streckapparates sollten als relative Notfallindikation so zeitnah wie möglich operiert werden.

Komplikationen

Infektionen im Rahmen von offenen Frakturen bedürfen zunächst einer empirischen Antibiose, die später an die mikrobiologischen Befunde angepasst wird. Bursitiden im Rahmen geschlossener Frakturen lassen sich meist mittels der Retention gut beherrschen.

Radiologie

Das native Röntgen des Kniegelenks in 2 Ebenen (anterior-posterior und seitlich) sowie eine Tangentialaufnahme der Patella geben Hinweise auf den Frakturverlauf. Während Querfrakturen in der seitlichen Aufnahme bei ca. 30-Grad-gebeugtem Kniegelenk am besten zur Darstellung kommen, sind Längsfrakturen in der anterior-posterioren Röntgenaufnahme oft nur sehr schwer erkennbar. Manchmal ist eine Tangentialaufnahme der Patella im Rahmen der Akutdiagnostik nicht möglich, diese sollte jedoch ehestmöglich nachgeholt werden. Zusätzliche Defilee-Aufnahmen (30°–60°–90°) geben Aufschluss über Luxationstendenzen.
Unter anhaltendem und/oder wiederholtem lokalen Stress, wie zum Beispiel bei Morbus Osgood Schlatter, Sinding-Larson-Johannson-Syndrom oder bei fixierten Flexionsdeformitäten im Rahmen einer Zerebralparese, kann es zur Fragmentierung im Bereich des distalen Patellapols kommen und mit einer traumatischen Avulsionsfraktur verwechselt werden (Hunt und Somashekar 2005).
Bei einer Patella alta im Röntgenbild sollte immer an eine Sleeve-Fraktur gedacht werden, eine Ultraschalluntersuchung kann hier Klarheit schaffen (Hunt und Somashekar 2005). Weitere Differenzialdiagnosen können oft nur im Verlauf oder mittels weiterer Bildgebung (MRT) ausreichend beurteilt werden.
Eine Patella bipartita kann eine Fraktur vortäuschen.

Chirurgische Aspekte und spezielle Anatomie

Die kindliche Patella ist von einer dicken Knorpelschicht überzogen und von einer deutlich ausgeprägten bindegewebigen Faserschicht des tendinösen Streckapparates umgeben. Die Patella des Kindes und deren erhöhte Beweglichkeit schützen einerseits vor Frakturen, andererseits prädisponieren diese Bedingungen jedoch zur Luxation und damit auch zu osteochondralen Frakturen.
Funktionell ist die Patella als intraartikuläres Sesambein wesentlich für die Streckfunktion des Kniegelenks. Sie verbindet die Quadrizepssehne mit der Patellarsehne und sorgt für eine Kraftumlenkung im femoropatellaren Gleitlager. Je höher der Beugegrad und die Streckkraft des Kniegelenks sind, umso höher ist der Anpressdruck der retropatellaren Gelenkfläche. Die dorsal zentral prominente Patellagelenkfläche wird in der talartigen Mulde des Femurs geschient. In der konventionellen Tangentialaufnahme kann aufgrund der nicht ossifizierten Knochenanteile ein flacher femoraler Sulcus als fehlende patellofemorale Kongruenz fehlinterpretiert werden. Erworbene oder anlagebedingte Fehlstellungen der femorotibialen Achse können beim plötzlichen Beugen zu einer Patellaluxation führen.
Medial sind am Knie 3 Schichten vorhanden (Abb. 4):
  • Die äußere Schicht wird aus der Faszie des M. sartorius gebildet.
  • Die mittlere Schicht besteht aus dem medialen patellofemoralen Band (MPFL), dem medialen Retinaculum und dem oberflächlichen Blatt des medialen Seitenbands.
  • Die tiefe Schicht umfasst das tiefe mediale Seitenband und die Gelenkkapsel.
Verletzungen des extraartikulär gelegenen MPFL können mittels MRT gut dargestellt werden, während arthroskopisch oft nur Einblutungen der Gelenkkapsel sichtbar sind. Lateral verbinden bindegewebige Zügel das iliotibiale Band, die lateralen Sehnen der ischiokruralen Muskulatur, das laterale patellofemorale Band und das laterale Retinaculum. Ausgeprägte angeborene oder erworbene Verkürzungen verändern die Zugrichtung nach posterolateral und können in einer Subluxation oder zumindest in einer Luxationstendenz resultieren.
Der M. vastus medialis dient als primärer medialer dynamischer Stabilisator der Patella. Das MPFL als Fortsetzung der tiefen retikulären Fasern des M. vastus medialis verläuft von den oberen zwei Drittel der medialen Patellafacette zum Epicondylus medialis femoralis. Als wichtiger medialer ligamentärer Stabilisator wurde unter anderem die Bedeutung der Insertion des MPFL in Relation zur Wachstumsfuge gezeigt, was stabile von potenziell instabilen Patellofemoralgelenken abgrenzen lässt (Duppe et al. 2016).
Die Blutversorgung der Patella erfolgt einerseits durch ein extraossäres Anastomosennetz über die obere und untere Kniearterie als auch aus der A. tibialis anterior, andererseits über ein intraossäres Gefäßsystem. Der proximale Patellapol wird hauptsächlich über diese intraossären Blutgefäße aus dem distalen Patellapol versorgt (Schuttrumpf et al. 2013).

Therapie

Therapieziel

Ziel der konservativen wie operativen Therapie ist die anatomische Wiederherstellung der verletzten Strukturen, im Sinne einer Wiederherstellung der Streckfunktion, die Gewährleistung einer ungestörten Frakturheilung als auch die Wiederherstellung einer glatten Knorpeloberfläche. Andernfalls drohen Bewegungseinschränkungen, Pseudoarthrosen und frühzeitige Arthrosen (Marchiodi et al. 1999; Gwinner et al. 2016).

Konservative Therapie

Alle undislozierten Frakturen mit erhaltener Streckfunktion können prinzipiell mittels einer Ruhigstellung (Oberschenkelgipshülse oder Orthese) therapiert werden. Gelenkstufen bis maximal 2 mm können akzeptiert werden (Abb. 5).
Ein bestehender Hämarthros sollte in erster Linie ein Hinweis für eine ernstzunehmende Verletzung der Kniegelenkbinnenstrukturen darstellen und zur weiteren Diagnostik anregen. Askenberger et al. zeigten in einer Studie, dass ein posttraumatischer Hämarthros bei 70 % der 9- bis 14-Jährigen ein Indiz einer ernstzunehmenden intraartikulären Kniegelenkverletzung, wie beispielsweise einer stattgehabten Patellaluxation oder Kreuzband- bzw. Meniskusverletzung, ist. 65 % davon hatten im Nativröntgen einen unauffälligen Befund (Askenberger et al. 2014; Abbasi et al. 2012).
Die Punktion des Hämarthros muss wohl überlegt werden. Beim Kleinkind bedarf es meist einer Sedoanalgesie/Narkose, weshalb hier besonders der Risiko-Nutzen-Faktor abgewogen werden muss. Aber auch bei älteren Kindern und Adoleszenten bedeutet die Punktion des Gelenks immer einen invasiven, potenziell kontaminierenden Eingriff, weshalb auch hier nur nach strenger Indikationsstellung punktiert werden sollte.

Operative Therapie

Die Indikation zur operativen Versorgung kindlicher Patellafrakturen entspricht der Indikationsstellung beim Erwachsenen (Ray und Hendrix 1992).
Indikationen zur Operation:
  • Offene Frakturen
  • Dislozierte Frakturen generell
  • Gelenkstufen >2 mm
  • Begleitverletzungen des Streckapparates mit aufgehobener Streckfunktion
  • Sleeve-Frakturen

Aufklärung

Im Rahmen der Aufklärung sollte neben allgemeinen Operationsrisiken (Infektgefahr mit Wundheilungsstörungen bis zur Ausbildung eines Empyems, Sensibilitätsstörungen, Keloiden etc.) speziell auf die Möglichkeit der Prä- und Pseudoarthrose, Osteonekrose als auch auf potenzielle Materialbrüche und sekundäre Lockerungen hingewiesen werden.
Bei Sleeve-Frakturen muss zusätzlich über einen möglichen Kniescheibenhoch- oder -tiefstand aufgeklärt werden (Patella alta > baja).
Des Weiteren sollte bereits vor der Erstoperation die Notwendigkeit der Metallentfernung mit aufgeklärt werden, auch dann, wenn für den Zweiteingriff eine neuerliche Operationsaufklärung erfolgen muss.
Übliche postoperative Beschwerden wie Blutergüsse, Kniegelenkergüsse und Schmerzen, aber auch notwendige postoperative Ruhigstellungen und Physiotherapien sollten mit den Patienten und deren Eltern bereits im Vorfeld besprochen werden.

Instrumentarium

  • Generell: resorbierbares und nicht resorbierbares Fadenmaterial, Bildwandler.
  • Zuggurtungsosteosynthese: K-Drähte (meist 1,6 mm), Cerclagedraht (1,25 mm), halbrunde Hohlnadel, Repositionszangen
  • Äquatorialcerclage: Cerclagedraht (1,25 mm)
  • Schraubenosteosynthese: Kleinfragmentschrauben (Spongiosaschrauben 3,5–4,5 mm), eventuell kanülierte Gewindeschrauben (kurzes Gewinde)
  • Sleeve-Fraktur: kanülierter Bohrer (2,4 mm) oder Ösendraht (2 mm), Lassosystem mit -faden

Lagerung

In Rückenlagerung wird das nicht verletzte Bein – sofern möglich – abgesenkt. Die Lagerung der verletzten Extremität erfolgt mittels Knierolle in ca. 20° Flexion. Eine Oberschenkelblutsperre wird angelegt und nur im Bedarfsfall aktiviert.

Allgemeines Vorgehen

Bei offenen Frakturen wird nach Abstrichentnahme zunächst der Wundrand mittels separatem Instrumentarium sparsam exzidiert, gespült und versorgt.

Zugänge

  • Medianschnitt über der Patella
    • Vorteil: gut erweiterbar, günstig im Falle späterer Eingriffe
    • Nachteil: mediale und laterale Weichstrukturen sind nur bei entsprechend sehr langen Hautschnitten erreichbar
  • Querschnitt über der Patella
    • Vorteil: ermöglicht den Zugang zu medialen und lateralen Weichstrukturen
    • Nachteil: Gefahr der Nervenverletzung mit Sensibilitätsstörungen (Ramus infrapatellaris des N. saphenus)

Operationstechnik

Unverschobene Fragmente werden im Weichteilverbund belassen. Anschließend erfolgt die Distraktion der dislozierten Fragmente, das gründliche Ausspülen des Gelenks von Hämatom sowie von Knorpel- und Knochenfragmenten. Die Inspektion der sichtbaren Kondylenflächen ist zum Erkennen etwaiger Zusatzverletzungen unverzichtbar. Unter Extension erfolgt die Reposition der Fraktur mittels einer Repositionszange. Prinzipiell sollte die Resektion kleinerer Fragmente so gut wie möglich vermieden werden. Die Resektion des distalen Patellapols zeigte im Vergleich zur Refixierung unbefriedigende Ergebnisse (Kastelec und Veselko 2004).
Zuggurtungsosteosynthese
Mittels eines Zielgeräts werden 2 Kirschner-Drähte (Stärke je nach Patellagröße ca. 1,6 mm) parallel und möglichst dorsal der Gelenkfläche von proximal nach distal eingebracht. Ziel ist es, den Frakturverlauf (Hauptfragmente) im 90-Grad-Winkel zu kreuzen. Weitere Fragmente können mittels Schrauben oder weiteren Kirschner-Drähten gefasst werden. Mittels Bildwandler wird die retropatellare Gelenkfläche dargestellt, und verbliebene Stufen können korrigiert werden. Die Drähte werden nun im Ligamentum patellae und in der Quadrizepssehne durch Längsinzision freigelegt. Mittels einer Hohlnadel o. Ä. werden die Weichteile der Patellabasis und Patellaspitze knochennahe tunneliert und der Cerclagedraht um die Kirschner-Drähte herumgeführt. Anschließend wird eine 8er-Tour um die Drahtenden gelegt. Danach erfolgt ein schrittweises Spannen beider Drahtenden durch Verdrillen der Enden mit einer Zange. Abschließend werden die Enden am größeren Fragment um 180° umgebogen und im Knochen versenkt (Abb. 6 und 7).
Äquatorialcerclage
Ein Cerclagedraht wird in eine Hohlnadel (Alternativ Redon-Spieß) eingeführt und anschließend knochennahe um den entfernten Patellapol herumgeführt (Bildwandler!).
Schraubenosteosynthese
Es werden 2 Spongiosa- oder kanülierte Gewindeschrauben mit Beilagscheiben vom kleineren in das größere Frakturfragment eingebracht. Das Gewinde darf nicht im Frakturspalt zu liegen kommen und muss ausreichend überstehen (Abb. 8).
Sleeve-Frakturen (Schutte et al. 2019): Zunächst wird eine transossäre Fixationsnaht mittels PDS (Stärke 1,0) angebracht. Zusätzlich werden resorbierbare Knochenpins verwendet. Im Bedarfsfall kann eine zusätzliche Schraubenosteosynthese durchgeführt werden. Fibrinkleber kann als zusätzlicher Stabilisator verwendet werden.
Nach durchgeführter Osteosynthese ist es wichtig, die Gelenkfläche auszutasten und mittels Bildwandlerkontrolle eine verbliebene Gelenkstufe auszuschließen. Zerrissene Retinacula sollten mittels einer Naht adaptiert werden. Die Stabilitätsprüfung mittels Flexion gibt Aufschluss über das Nachbehandlungsschema. Resorbierbare Hautnähte werden im Kindesalter bevorzugt.
Der Quirl der Zuggurtung sollte sich im Bereich der umgebogenen Kirschner-Drähte befinden, sodass zur Metallentfernung nur ein kleiner Hautschnitt, über den das gesamte Material entfernt werden kann, notwendig.
Bei Kindern <6 Jahre ist die alleinige Kirschner-Draht-Osteosynthese oft ausreichend.

Technische Fehler und Komplikationen

Sekundäre Lockerung der Osteosynthese insbesondere bei Weichteilinterponaten aufgrund des fehlenden Knochenkontakts können zu Pseudarthrosen und sekundären Dislokationen führen.
Unreponierte Querfrakturen oder eine fehlende Wiederherstellung der Streckfunktion können zum persistierenden Streckdefizit, zum Patellahochstand/-tiefstand und zur Quadrizepssehnenatrophie führen (Bruijn et al. 1993).
Falsche Höheneinstellungen der Patella bei Avulsionsfrakturen und Sleeve-Frakturen können zu chronischen Schmerzen, Sehnenatrophien aber auch Versagen der Osteosynthese führen.
Das Risiko einer Osteonekrose aufgrund einer nachhaltig gestörten Blutversorgung kann durch einen frühzeitigen Operationszeitpunkt reduziert werden.
Distale Sleeve-Frakturen können zur Ossifikation der Patellarsehne führen (Damrow und Van Valin 2017).

Nachbehandlung

Adäquate Analgesie, Thromboembolieprophylaxe bei postpubertären Jugendlichen.

Konservative Therapie

Eine Oberschenkelgipshülse oder Orthese in Streckstellung wird für 4 Wochen angelegt, Touchieren ist erlaubt. Je nach Ausmaß des initialen Gelenkergusses werden kurzfristigere Kontrollen empfohlen. Meist kann der Gipsschluss nach ca. 1 Woche erfolgen. Nach Rückbildung des Gelenkergusses kann die stufenweise, schmerzadaptierte Belastung beginnen. Bei Verletzungen des Streckapparates sollte für 3–4 Wochen entlastend mobilisiert werden. Eine Röntgenkontrolle erfolgt nach 1 Woche bei Gipsschluss und je nach der zu erwartenden Konsolidierungszeit nach 3–4 Wochen.

Operative Therapie

Eine Oberschenkelgipshülse oder Orthese in Streckstellung bis zur gesicherten Wundheilung wird angelegt. Nach Rückbildung des Gelenkergusses kann bei stabil versorgten Frakturen die stufenweise, schmerzadaptierte Belastungssteigerung erfolgen.
Nach chirurgischer Rekonstruktion des Streckapparates wird eine Entlastung für 3–4 Wochen empfohlen.
Radiologische Kontrollen werden unmittelbar postoperativ und bei Nahtentfernung (bei selbstresorbierbaren Nähten am 14. postoperativen Tag) oder alternativ nach 3 Wochen empfohlen.
Die Metallentfernung kann nach 3–6 Monaten nach radiologisch gesicherter knöcherner Konsolidierung terminisiert werden. Die Wiederaufnahme sportlicher Aktivitäten kann bei freier Gelenkbeweglichkeit und blanden Narben zwischen der 8.–12. postoperativen Woche freigegeben werden.

Spätkomplikationen

Die beste Präarthroseprophylaxe ist die stufenlose Wiederherstellung der Gelenkfläche. Pseudoarthrosen sind meist Folge einer unzureichenden Osteosynthese oder eines konservativen Therapieregimes bei bestehender Dislokation.
Wachstumsstörungen sind nicht zu erwarten. Verbleibende osteophytäre Anbauten, Nekrosen sowie nicht angeheilte Fragmente können im Rahmen eines sekundären Eingriffs entfernt werden.
Literatur
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