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Verletzung der Gefäße an Hals und Extremitäten

Verfasst von: Daniel Chr. Hinck und Michael Engelhardt
Der Verblutungstod des Verletzten ist nicht nur ein militärisches Problem. Sind es fast 50 % der verstorbenen Soldaten, die an einer ungestillten Blutung versterben, so findet sich auch auf der zivilen Seite ebenfalls ein hoher Prozentsatz an Patienten (33–56 %), die verbluten (Acosta et al. 1998; Champion et al. 2003; Sauaia et al. 1995). Erschreckend ist, dass fast ein Viertel der verstorbenen amerikanischen Soldaten in den Konflikten Operation Iraqi Freedom (OIF) und Operation Enduring Freedom (OEF) Verwundungen erlegen sind, die bei zeitgerechter Versorgung potenziell zu überleben gewesen wären. In 85 % der Fälle handelte es sich um eine unkontrollierte Blutung. Von diesen waren in bis zu einem Drittel die Extremitäten betroffen, in 20 % waren es axilläre, zervikale oder inguinale Blutungen (Holcomb et al. 2007; Kelly et al. 2008).
Der Verblutungstod des Verletzten ist nicht nur ein militärisches Problem. Sind es fast 50 % der verstorbenen Soldaten, die an einer ungestillten Blutung versterben, so findet sich auch auf der zivilen Seite ebenfalls ein hoher Prozentsatz an Patienten (33–56 %), die verbluten (Acosta et al. 1998; Champion et al. 2003; Sauaia et al. 1995). Erschreckend ist, dass fast ein Viertel der verstorbenen amerikanischen Soldaten in den Konflikten Operation Iraqi Freedom (OIF) und Operation Enduring Freedom (OEF) Verwundungen erlegen sind, die bei zeitgerechter Versorgung potenziell zu überleben gewesen wären. In 85 % der Fälle handelte es sich um eine unkontrollierte Blutung. Von diesen waren in bis zu einem Drittel die Extremitäten betroffen, in 20 % waren es axilläre, zervikale oder inguinale Blutungen (Holcomb et al. 2007; Kelly et al. 2008).
Generell sind Gefäßverletzungen der Extremitäten im Zuge aktiver Kriegshandlungen häufiger zu beobachten als zu Friedenszeiten. Hier wiederum existieren deutliche geografische Unterschiede nicht nur international (Afrika vs. Nordeuropa), sondern auch national (Nordirlandkonflikt 1969–1998).
Neben diesen geografischen Unterschieden ist auch eine Ungleichverteilung in der Ätiologie festzustellen. Sind es in Konflikten eher penetrierende Verletzungen in der Größe von mehr als 90 %, finden sich im zivilen Umfeld die stumpfen und penetrierenden Verletzungen annähernd gleich verteilt. Stets unter der Berücksichtigung von lokalen Besonderheiten (Brethauer et al. 2008; Tan et al. 2011).
Bezüglich der Lokalisation ist bei Soldaten eher die untere Extremität als die obere Extremität betroffen, wohingegen im zivilen Umfeld eine fast paritätische Verteilung von oberer und unterer Extremität besteht (Tab. 1 und 2).
Tab. 1
Häufigkeit der arteriellen Gefäßverletzung in Abhängigkeit von der Körperregion (Fox et al. 2005; Menakuru et al. 2005; Peck et al. 2007; Taller et al. 2008)
Lokalisation
Häufigkeit
OIF/OEF
Chandigarh/Indien
Extremität insgesamt
70–88 %
83 %
Obere Extremität
20,8–38 %
41 %
Untere Extremität
49–75 %
42 %
Cervicocranial
7–17 %
2,7 %
Thorakoabdominal
3–13 %
8,1 %
Tab. 2
Häufigkeit der betroffenen Arterien (Fox et al. 2005; Menakuru et al. 2005; Peck et al. 2007; Taller et al. 2008)
Betroffene Arterie
Häufigkeit
 
OIF/OEF
Chandigarh/Indien
Obere Extremität
A. axillaris
2–3,8 %
2,7 %
A. brachialis
2,7–22,6 %
25,7 %
A. radialis
2,6–17 %
7,5 %
A. ulnaris
3,1–7,5 %
5,4 %
Untere Extremität
A. fem. comm.
1,9–4,7 %
23 % (A. fem.)
A. fem. superf.
9,6–20,7 %
 
A. prof. fem.
3,1–9,6 %
 
A. pop.
4,1–15,1 %
14,2 %
A. tib. Ant. post. et fib.
3,8–10,9 %
5,4 %
In der präklinischen Phase haben mittlerweile das Tourniquet und lokale Hämostyptika einen festen Platz in der Versorgung von Gefäßverletzungen der Extremitäten (Abschn. 2).

Gefäßverletzungen am Hals

Halsverletzungen sind nicht nur in der präklinischen Phase sondern auch in der klinischen Versorgung eine Herausforderung. Neben der Blutung ist auf ein expandierendes Hämatom zu achten, das zu einer Kompromittierung der Atemwege und damit zu einer unmittelbaren Luftnot führen kann. Eine sofortige Intubation ist unter diesen Umständen meistens unumgänglich.
In 3 % aller verwundeten Soldaten ist mit penetrierenden Verletzungen des Halses zu rechnen. Interessanterweise findet man dies beim traumatisierten zivilen Patienten doppelt so häufig. Die Dringlichkeit der Versorgung einer Halsverletzung ist seit jeher Gegenstand von wissenschaftlichen Untersuchungen. Unterteilt wird die zervikale Region in drei Zonen. Zone I reicht von der Clavicula bis zum Cricoid, Zone II vom Cricoid bis zum Angulus mandibulae und Zone III von dort bis zur Schädelbasis. Verletzungen in Zone I werden i. S. von Thoraxverletzungen behandelt. In Zone III wie neurochirurgische Verletzungen. Gemeinsam ist beiden der schwierige chirurgische Zugang.
Verletzungen in Zone II sind die eigentlichen gefäßchirurgisch relevanten Verletzungen. Beim hämodynamisch instabilen Patienten ist weiterhin die umgehende chirurgische Versorgung angezeigt. Eine blutungsstillende Erstmaßnahme kann u. a. die sofortige Einlage eines Blasenkatheters in den Wundkanal mit anschließendem Insufflieren des Blockungsballons sein (Kap. „Damage Control bei Gefäßverletzungen“).
Anders verhält es sich beim hämodynamisch stabilen Patienten. War es bislang die sofortige operative Exploration bei penetrierenden Verletzungen liegt nunmehr der Schwerpunkt auf präoperativen, bildgebenden Verfahren (digitale Subtraktionsangiographie, computertomografische Angiografie, Duplexsonografie) ggf. mit der Möglichkeit der Intervention. Mithilfe dieses Vorgehens konnte in der Vergangenheit die Rate an unnötigen operativen Explorationen gesenkt werden (Meghoo et al. 2011; Tisherman et al. 2008).
Ähnlich verhält es sich mit der Behandlung von stumpfen Halsverletzungen. Besteht der dringende Verdacht auf eine Verletzung sollte eine computertomografische Angiografie oder eine digitale Subtraktionsangiographie veranlasst werden. Bei initimalen Einrissen oder Dissektionen bzw. intramuralen Hämatomen teicht in der Regal eine sich anschließende Antikoagulation aus. Bei neurologischen Frühdefiziten bzw. Pseudoaneurysmen kann die chirurgische oder interventionelle Prozedur empfohlen sein (Bromberg et al. 2010).

Gefäßverletzungen der Extremitäten

Analog zu den Gefäßverletzungen am Hals werden auch an den Extremitäten penetrierende und stumpfe Verletzungen unterschieden.
Die Versorgung des gefäßtraumatisierten Patienten orientiert sich an den Prinzipien des Advanced Trauma Life Support© Protokolls. Eine Modifizierung erfährt das ABCDE-Schema bei starken Blutungen in Form des (C)ABCDE-Ablaufs. Ziel ist die Behandlung von starken Blutungen im Vorfeld des Beginns der Atemwegskontrolle durch Anlage von Druckverband, Tourniquet oder Katheter-Ballontamponade (Kap. „Damage Control bei Gefäßverletzungen“).
Die körperliche Untersuchung umfasst die kapilläre Füllung, Farbe und Temperatur der Extremität sowie den Pulsstatus, stets im Seitenvergleich. Wünschenswert wäre eine Ergänzung durch Doppler-/Duplexuntersuchung. Bei Vorliegen einer Fraktur bzw. eines stumpfen Gefäßtraumas ist das wiederholte Messen des Kompartmentdrucks in der betroffenen Muskelloge ein zusätzliches klinisches Kriterium für eine Fasziotomie.
Die körperlichen Untersuchungsergebnisse lassen sich in harte und weiche Zeichen einer Gefäßverletzung im Zusammenhang mit einer Extremitätenverletzung einteilen (Tab. 3). Nicht zu vernachlässigen sind die weichen Zeichen, da sie in 3–25 % mit einer Gefäßverletzung vergesellschaftet sind (Feliciano 2008). Jedoch ist auch das Vorhandensein eines peripheren tastbaren Pulses kein Ausschlusskriterium für eine weiter proximal gelegene Gefäßverletzung. Insbesondere dann, wenn der Unfallhergang und weiche Untersuchungszeichen an eine mögliche Mitbeteiligung von Gefäßen denken lassen. Es konnte bei immerhin 13 % der betroffenen Patienten einer traumatischen Kniegelenksluxation ein normaler distaler Pulsstatus erhoben werden, der dennoch einer gefäßchirurgischen Versorgung bedurfte (Barnes et al. 2002). Ein weiteres hilfreiches Kriterium ist die Bestimmung des Ankle-Brachialis-Index (ABI). Unabdingbar ist eine erganzende Diagnostik bei einem Wert <0,9 (Lynch und Johansen 1991).
Tab. 3
Harte und weiche Zeichen einer Gefäßverletzung
Harte Zeichen
Weiche Zeichen
Pulslosigkeit
Anamnese einer starken Blutung
Blässe
Proximales Trauma
Sensibilitätsverlust
Nervale Verletzung im Verbund eines Gefäß-Nerven-Bündels
Motorikverlust
Hämatom im Verlauf einer Arterie
 
Schnell expandierendes Hämatom
 
Starke Blutung
 
Tastbares oder auskultierbares Schwirren
 
War es in der Vergangenheit die digitale Substraktionsangiographie (DSA) ist nunmehr die computertomografische Angiografie (CTA) der Goldstandard. Neben der fast flächendeckenden Verfügbarkeit, selbst in militärischen Einsatzgebieten, ist u. a. auch die Beurteilung bzw. Durchführung von ergänzenden Untersuchungen anderer Organsysteme in einer Untersuchung möglich. In mehreren Untersuchungen retrospektiv als auch prospektiv konnte eine Sensitivität und Spezifität von 100 % für arterielle Verletzungen der Extremitäten nachgewiesen werden (Inaba et al. 2006, 2011; Peng et al. 2008; Seamon et al. 2009).
Inwieweit sich dieser Algorithmus in Bezug auf die mögliche Durchführung einer endovaskulären Intervention via DSA bei der Behandlung von peripheren Gefäßverletzungen modifizieren wird, zeigt sich in der Zukunft. Die Western Trauma Association hat die mögliche endovaskuläre Versorgung von Gefäßverletzungen der distalen unteren Extremität im Zuge einer DSA in ihren Algorithmus zur Behandlung peripherer Gefäßverletzungen implementiert (Feliciano et al. 2011).

Gefäße der oberen Extremität

Gefäßverletzungen der oberen Extremität, von der Arteria subclavia beginnend, sind selten. Über die letzten 20 Jahre ist zudem ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Waren es in den 1980er- bzw. 1990er-Jahren zwischen 3–4 %, so waren es bei der Auswertung der U. S. National Trauma Bank (2008) gerade noch 0,6 %. Von den 8311 peripheren Gefäßverletzungen war in 5260 Fällen die obere Extremität (63 %) betroffen (Oller et al. 1992; Pillai et al. 1997; Tan et al. 2011).
Von den behandlungsbedürftigen Gefäßverletzungen während OIF befanden sich 1,7 % aller erlittenen Verwundungen im Bereich der oberen Extremität (Clouse et al. 2006).
Neben dem Druckverband und dem Tourniquet besteht auch in diesem Fall die Erstversorgung im Form der Katheter-Ballontamponade (Abb. 1). Der Ballonkatheter wird über den Stich- oder Schusskanal eingebracht, der Ballon mit Ringer- oder NaCl-Lösung insuffliert und zurückgezogen. Die A. subclavia wird an der Rückseite der Clavicula komprimiert (Degiannis et al. 2008).
Operativer Zugang zur Versorgung von zentralen axillo-subclavia Gefäßverletzungen sind der supraclaviculare Zugang ggf. mit Clavicularesektion, die Sternotomie (Abb. 2) mit entsprechenden Erweiterungsmöglichkeiten wie z. B. die Clavicularesektion oder die links anteriore Thorakotomie.
Verletzungen der peripheren A. axillaris und der zentralen A. brachialis sind über einen infraklavicularen Zugang erreichbar, der über die deltopectorale Region in den medialen Oberarm erweiterbar ist.
Im Verlauf des medialen Randes des M. biceps ist die gesamte A. brachialis darstellbar und ohne weiteres zugänglich (Abb. 3). Über einen s-förmigen Hautschnitt in der Fossa antecubitalis lässt sich die Aufzweigung in A. radialis und A. ulnaris exponieren.

Gefäße der unteren Extremität

Gefäßverletzungen, die untere Extremität betreffend, sind im zivilen Umfeld seltener als im kriegerischen Umfeld. Von 1,5 Mio. amerikanischen versorgten Verletzten hatten nur 3051 Patienten eine arterielle Gefäßverletzung der unteren Extremität (0,2 %) (Tan et al. 2011).
Analog zur Erstversorgung der Gefäßverletzung der oberen Extremität stehen die Anlage eines Druckverbandes oder eines Tourniquets im Vordergrund. Ergänzt werden kann dies durch die Applikation eines Hämostyptikums (Kap. „Damage Control bei Gefäßverletzungen“).
Der Patient sollte in Rückenlage gelagert und operativ versorgt werden. In dieser Position ist stets der mediale Zugang für die Versorgung von femoropoplitealen Gefäßverletzungen zu wählen.
Bei Verletzungen der A. femoralis communis, die eine Blutungskontrolle weiter zentral erfordern, ist die Durchführung einer Ballonokklusion über die Arteriotomie im Verlauf der A. femoralis communis denkbar. Eine Erweiterung des Schnittes mit Durchtrennung des Lig. inguinale ist jedoch auch ein probates Mittel. Bei weniger zeitkritischen Situationen ist die vorherige Darstellung der zuführenden A. iliaca externa, entweder über einen extra- oder transperitonealen Unterbauchzugang, empfehlenswert.
Hinsichtlich der Versorgung von verletzten Venen gibt es widersprüchliche Empfehlungen. Anzustreben ist die Rekonstruktion der V. poplitea. Eine Ligatur der betreffenden Vene ist jedoch auch möglich. Im gleichen Zuge ist aber die Durchführung einer Kompartmentspaltung im Verlauf des Unterschenkels ratsam.

Versorgung von Gefäßverletzungen an oberer und unterer Extremität

Stumpfe Traumen können zu intimalen Verletzungen der Gefäßwand mit Flapbildung führen. Bei klinischer Asymptomatik ist ein abwartendes Verhalten gerechtfertigt. In 87–95 % heilt diese Verletzung folgenlos ab. Stellt sich jedoch eine klinische Symptomatik ein, ist eine umgehende klinische Reevaluation und Bildgebung indiziert. Sollten es die Begleitverletzungen zulassen, empfiehlt sich die Gabe von Aspirin zur Thrombozytenaggregationshemmung (Dennis et al. 1998; Stain et al. 1989).
Im Falle einer notwenigen invasiven Versorgung der Gefäßverletzung an oberer und unterer Extremität stehen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung (Übersicht).
Möglichkeiten der Gefäßversorgung
  • Direkte Rekonstruktion
  • Gefäßersatz
  • Ligatur
  • Stentapplikation endovaskulär
  • Einlage eines intraluminalen Shunts
Als ultima ratio ist die Ligatur von zentralen Gefäßen zu sehen. Stets jedoch mit der Gefahr einer sekundären Amputation vergesellschaftet (Kap. „Damage Control bei Gefäßverletzungen“). Aus dem 2. Weltkrieg berichteten DeBakey und Simeone (1946) von 1639 Ligaturen zentraler Gefäße an oberer und unterer Extremität mit 802 folgenden sekundären Amputationen (48,9 %).
Anders sieht es bei Ligaturen am Unterarm und Unterschenkel aus. Bei Nachweis eines Pulses mittels klinischer Untersuchung oder mittels Doppler-Untersuchung an Unterschenkel oder Unterarm kann die Ligatur der verletzten Arterie erfolgen. In 71 Fällen wurde bei vorhandenem Dopplersignal das verletzte Gefäß an Unterarm (A. radialis/A. ulnaris) oder am Unterschenkel (A. tibialis ant./A. tibialis post./A. fibularis) ligiert; eine Amputation war in keinem der Fälle notwendig (Fox et al. 2005; Peck et al. 2007; Taller et al. 2008).
Es sollte jedoch in Abhängigkeit vom Patientenzustand und der Verletzungslokalisation die Rekonstruktion angestrebt werden. Entweder wird dies durch direkte Naht bzw. Patchplastik erreicht oder bei Substanzdefekten > 2 cm durch einen Gefäßersatz in Form einer Vene oder, die weitaus schlechtere Variante, durch eine Gefäßprothese. Der Gefäßersatz durch eine körpereigene Vene ist anzustreben, da insbesondere bei penetrierenden Verletzungen von einer Wundkontamination auszugehen ist. Die Verwendung von Gefäßprothesen ist nur i. S. einer limb salvage strategy zu befürworten. Diese kann z. B. bei schweren Blastverletzungen an allen Extremitäten vorliegen. Hier ist u. U. eine Bergung von Venenmaterial nicht möglich (Abb. 4). Welches Prothesenmaterial geeignet ist, ist nicht abschließend geklärt. Erfahrungen mit Prothesen mit Silberimprägnierung bzw. Silberfäden liegen noch nicht hinreichend häufig vor. Auf jeden Fall muss ein extraanatomischer Verlauf unter Umgehung der kontaminierten Wunde gewählt werden.
Eine Renaissance erfuhr die temporäre intravasale Shuntanlage in den Konflikten OIF und OEF (Hinck et al. 2014). Durch die temporäre Einlage eines Shunts zwischen den Gefäßstümpfen (Abb. 5) ist eine Perfusion des distalen Extremitätenabschnitts über 24 h bis zur definitiven Versorgung gewährleistet.

Endovaskuläre Versorgung von Gefäßverletzungen an den Extremitäten

Die endovaskuläre Versorgung nimmt in der Behandlung von Gefäßverletzungen an den Extremitäten weiterhin einen geringen Anteil ein. Von 145 Patienten im Prospective oberservational vascular injury treatment Register (PROOVIT) mit einer zu versorgenden Gefäßverletzung an oberer und unterer Extremität wurden gerade 5 Patienten (3,4 %) endovaskulär behandelt. In dieser Studie zeigte sich jedoch, dass mittlerweile Verletzungen im Verlauf der thorakalen Aorta und der Beckengefäße in entsprechend ausgestatteten Kliniken routinemäßig endovaskulär versorgt werden könnten. Unumgänglich ist eine in der Klinik vorhandene Expertise (Belczak et al. 2011; DuBose et al. 2015).

Amputationen

Primäre Amputationen sind in Anbetracht der Schwere der Verletzung, in der Regel eine Kombination aus Fraktur, Nervenverletzung und extensivem Weichteilverlust, weiterhin unumgänglich (Abb. 6).
Schwieriger ist der Entschluss bei nicht so eindeutiger Wundsituation (Abb. 7).
Wenig hilfreich zur Beurteilung der Rettung bzw. zum Entschluss einer Amputation ist die Erhebung des Mangled Extremity Severity Score (MESS) wie dieser von Starnes et al. (2006) angeregt wird und ab einen MESS-Wert ≥7 die Amputation empfiehlt (Johansen et al. 1990). Der mediane MESS-Wert der gefäßversorgten Verwundeten in einem Kollektiv von Taller et al. betrug 8 Punkte (Range 5–10 Punkte) ohne eine folgende sekundäre Amputation (Taller et al. 2008). Prichayudh et al. kommen in ihrer Arbeit zu dem Schluss, dass ein MESS-Wert <7 für einen Extremitätenerhalt spricht; Werte ≥7 jedoch nicht automatisch für eine Amputation sprächen. Stumpfe Traumen waren ursächlich für sämtliche primäre bzw. sekundäre Amputationen (Prichayudh et al. 2009). Dies deckt sich mit anderen Beobachtungen, dass stumpfe Extremitätentraumen eine höhere Amputationsrate haben als penetrierende Extremitätenverletzungen.
Sind sowohl primäre als auch sekundäre Amputationen erforderlich, sollte der Amputationsstumpf zur erleichterten Prothesenversorgung so lang wie möglich belassen werden.
Interessanterweise wurde im Zuge der Military Extremity Trauma Amputation/Limb Salvage Studie (METALS) mithilfe des Musculoskeletal Function Assessment Questionnaire (SMFA) gezeigt, dass Amputierte der unteren Extremität bessere Werte erreichen und weniger an einer posttraumatischen Belastungserkrankung leiden als Patienten mit Extremitätenerhalt nach Gefäßverletzung (Doukas et al. 2013).

Fasziotomie bei Gefäßverletzungen an den Extremitäten

Der Pathomechanismus bzw. die Theorien der Kompartmententstehung nach arterieller Verletzung bzw. Reperfusion einer ischämischen Extremität sind hinlänglich bekannt (Theorie des arteriellen Spasmus, des kritischen Verschlussdruckes sowie die arteriovenöse Gradiententheorie). Insbesondere bei schweren Extremitätenverletzungen mit Gefäßbeteiligung kommt das begleitende venöse Trauma erschwerend hinzu. Konsekutiv erhält die arteriovenöse Gradiententherorie mehr Gewicht. Postuliert wird eine Störung des Gradienten durch reduzierten Abstrom bei gleichzeitig rekonstruiertem arteriellen Zustrom (Zustrom > Abstrom).
Aus den Erfahrungen im Vietnam- und dem Nordirland-Konflikt des vergangenen Jahrhunderts wird die primäre bzw. prophylaktische Fasziotomie im Falle einer langen Ischämiezeit oder/und bei notwendiger Venenligatur bzw. schwerer Venenverletzung empfohlen (Jacob 1974; Roy 1982). Bei zweifelhaften Befunden ist eine wiederholte Kompartmentdruckmessung zu fordern, stets in der Zusammenschau mit dem klinischen Befund.
Im Zweifel sollte der Entschluss zu einer Fasziotomie gefällt werden. Eine retrospektiv durchgeführte Untersuchung an Soldaten, die erst im Anschluss an ihre Repatriierung eine Fasziotomie erhielten, ergab eine doppelt so hohe Amputationsrate (31 % vs. 15 %) wie bei Soldaten mit einer im Einsatzland durchgeführten Fasziotomie (Ritenour et al. 2008).
Farber et al. zeigten in einer Gruppe von Patienten, die innerhalb von 8 h nach Versorgung einer Gefäßverletzung eine Fasziotomie erhielten, eine dreifach geringere Amputationsrate (8,5 % vs. 24,6 %) als in einer Gruppe mit Fasziotomien >8 h. Risikoparameter für die Entstehung eines Kompartments sind die Verletzung der Poplitealregion, Verletzung der begleitenden Venen und Frakturen. Handlungssicherheit erhält der Chirurg aus der Erfahrung, dass aus frühen bzw. prophylaktischen Fasziotomien kein schlechteres Outcome für die betroffene Extremität resultiert (Farber et al. 2012).
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