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Erschienen in: Die Gynäkologie 3/2024

04.01.2024 | Medizinrecht

Der Zeitpunkt ist entscheidend? – Wie das OLG Bremen die Ärzteschaft schockierte

verfasst von: Dr. Thorsten Süß

Erschienen in: Die Gynäkologie | Ausgabe 3/2024

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Auszug

Dass juristische Fragestellungen Leidenschaft entfachen können, dürfte auf den ersten Blick überraschen. Trocken, bisweilen sogar antiquiert, hermeneutisch schwierig – diese Attribute konnotiert der Laie wohl eher mit der Rechtswissenschaft. Jedenfalls für das Haftungsrecht wäre diese Beschreibung indes weit gefehlt. Mehr Leidenschaft geht nicht. Wer sich in der forensischen Praxis als Anwalt mit der Arzthaftung, also der Verantwortung des Arztes für eigenes berufliches Fehlverhalten, beschäftigt, hat bisweilen schäumende Emotionen zu kanalisieren (nicht nur, wenn er auf Patientenseite tätig ist) und wird mit Grundsatzfragen des Rechts konfrontiert. Allerbestes Beispiel hierfür ist der tägliche Streit um die richtige Aufklärung eines Patienten vor einem ärztlichen Heileingriff. Der betroffene Patient verweist gerne auf seine Autonomie, sein Recht am eigenen Körper, ein (mit der Praxis oft kaum zu vereinbarendes) Leitbild eines gleichgeordneten Arzt-Patienten-Verhältnisses. Der betroffene Arzt hingegen äußert oft Unverständnis über die Gedankenwelt des Juristen. Das kann auch nicht verwundern, hängt die Pflicht zur Aufklärung doch sehr eng mit dem (hochumstrittenen, von Gerichten aber nicht mehr bezweifelten) Paradigma zusammen, der ärztliche Heileingriff sei eigentlich eine Körperverletzung1. Der heilende Arzt also nicht besser als der messerstechende Räuber? Vor dem Gefängnis soll er nur bewahrt sein, weil sein Patient ein Formular unterzeichnet hat? Ist gar nicht wichtig, dass er heilen wollte, Held ist, auf der richtigen Seite des Rechts steht? Vor Juristen soll er sich rechtfertigen müssen durch ein Stück Papier, das im Vakuum zwischen Vorbehandlungssituation und Nachschadenemotion allzu leicht zu zerbröseln droht? …
Fußnoten
1
H.M. seit RGSt 25, 375 ff.
 
2
Z. B. OLG Bamberg, Urt. v. 20.07.2015 – 4 U 16/14; OLG Stuttgart, NJW 1979, 2355.
 
3
Z. B. OLG Brandenburg, Urt. v. 20.05.2010 – 12 U 196/09.
 
4
BGH VersR 2019, 688.
 
5
OLG Dresden, Urt. v. 15.11.2016 – 4 U 507/16.
 
6
BGH NJW 1992, 2351.
 
7
BGH NJW 1994, 3010; NJW 1996, 777.
 
8
BGH NJW 2003, 2012; NJW 1998, 2734.
 
9
BGH NJW 1992, 2351.
 
10
MedR 2022, 493.
 
11
MedR 2020, 483.
 
12
MedR 2023, 390.
 
Metadaten
Titel
Der Zeitpunkt ist entscheidend? – Wie das OLG Bremen die Ärzteschaft schockierte
verfasst von
Dr. Thorsten Süß
Publikationsdatum
04.01.2024
Verlag
Springer Medizin
Erschienen in
Die Gynäkologie / Ausgabe 3/2024
Print ISSN: 2731-7102
Elektronische ISSN: 2731-7110
DOI
https://doi.org/10.1007/s00129-023-05192-9

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