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2023 | Buch

Arzneiverordnungs-Report 2023

herausgegeben von: Wolf-Dieter Ludwig, Bernd Mühlbauer, Roland Seifert

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

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Über dieses Buch

Der Arzneiverordnungs-Report ist seit 1985 eine gemeinsame Publikation von Autoren aus Pharmakologie, Klinik, Praxis, Gesundheitsökonomie und Krankenversicherung. Basis sind die Verordnungsdaten von Arzneimitteln für ambulante Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Allgemeine Verordnungs- und Marktentwicklung

Frontmatter
1. Arzneiverordnungen 2022 im Überblick
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Ausgabenprofil Die Arzneimittelnettoausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für Rezepturen und Fertigarzneimittel sind 2022 um 5,2 % auf rund 52,85 Mrd. € gestiegen (WIdO 2023). Bei den gesamten GKV-Leistungsausgaben von ca. 274,23 Mrd. € erreichen die Arzneimittelausgaben an allen Leistungsausgaben der GKV nach den Kosten für Krankenhausbehandlung (88,11 Mrd. €) wiederum den zweitgrößten Posten der GKV-Ausgaben, gefolgt von der vertragsärztlichen Versorgung (46,14 Mrd. €), den Ausgaben für Krankengeld (17,95 Mrd. €) und den Ausgaben für zahnärztliche Behandlung (16,75 Mrd. €) (Bundesministerium für Gesundheit 2023b).
An der Spitze der 40 nettokostenstärksten Arzneimittelgruppen stehen auch 2022 – wie bereits seit 2018 – die Onkologika, deren Nettokosten jedoch nur minimal um 0,03 % auf 10,63 Mrd. € und deren Verordnungen um 3,5 % auf 8,71 Mio. gestiegen sind. Mit deutlichem Abstand folgen an den Positionen 2–4 die Immunsuppressiva (6,10 Mrd. €), Antidiabetika (3,61 Mrd. €), Antithrombotika (3,22 Mrd. €) und Dermatika (3,02 Mrd. €).
Gegensätzlich verhielten sich Umsatz- und Verordnungsvolumina von Generika und Orphan-Arzneimitteln. Während Orphan-Arzneimittel in 2022 trotz des relativ geringen Verordnungsvolumens (32,4 Mio. DDD) ein Umsatzvolumen von 7,1 Mrd. € erreichten, verringerte sich der Kostenanteil der Generika trotz eines hohen Verordnungsanteils am gesamten Arzneimittelmarkt (77,3 %) und betrug in 2022, ähnlich wie in 2021 nur noch 26,5 % des Gesamtumsatzes.
Bernd Mühlbauer, Wolf-Dieter Ludwig
2. Neue Arzneimittel 2022
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Im Jahr 2022 wurden 46 neue Arzneimittel in Deutschland auf den Markt gebracht und damit deutlich mehr als im Vorjahr (38 Arzneimittel). Die Neueinführungen im Indikationsbereich hämatologische Neoplasien und solide Tumoren haben stark zugenommen (von 10 auf 18 Arzneimittel). Ein Fokus der Arzneimittelzulassungen liegt nach wie vor bei den monoklonalen Antikörpern und Proteinkinase-Inhibitoren. Exemplarisch werden von den neu zugelassenen Arzneimitteln Sacituzumab Govitecan (triple-negativer Brustkrebs), Setmelanotid (seltene genetische Formen der Adipositas), Efgartigimod (Myasthenia gravis) und Vosoritid (Achondroplasie) genauer vorgestellt.
Bewertung Im Rahmen der frühen Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss konnte für nur weniger als 50 % der Arzneimittel (21 von 46) ein Zusatznutzen festgestellt werden. Der Zusatznutzen von Eravacyclin (komplizierte bakteriell verursachte intraabdominale Infektionen) ist belegt. Ein erheblicher Zusatznutzen wurde für das Antikörper-Zytostatika-Konjugat Sacituzumab Govitecan (triple-negativer Brustkrebs) festgestellt. Ein beträchtlicher Zusatznutzen wurde festgestellt für Enfortumab Vedotin (metastasiertes Urothelkarzinom), Ripretinib (gastrointestinale Stromatumoren), Tebentafusp (metastasiertes uveales Melanom), Trastuzumab-Deruxtecan (HER2-positiver Brustkrebs), Nirmatrelvir (COVID-19), Efgartigimod (Myasthenia gravis), Abrocitinib (atopische Dermatitis) sowie Relugolix (Uterusmyome).
Roland Seifert
3. Therapeutischer Nutzen und Therapiekosten von Gentherapien
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Gentherapien gelten als innovativ. Sie haben ein großes therapeutisches Potenzial für Krankheiten, die bisher nicht oder nur stark limitiert behandelbar sind. Gleichzeitig handelt es sich auch um kostenintensive, risikoreiche Therapien. In diesem Kapitel werden zunächst die bis Ende 2022 zugelassenen Gentherapien sowie ihr therapeutischer Nutzen analysiert. Danach wird auf die hohen Kosten der Gentherapien eingegangen. Gentherapien gehören zu den Therapien mit den höchsten Preisen. Im Ergebnis zeigte sich, dass zahlreiche Gentherapien zwar einen hohen therapeutischen Nutzen aufweisen, der therapeutische Nutzen mehrerer Gentherapien aber auch nicht analysiert werden konnte, weil es zum Zeitpunkt der Zulassung hierfür an der Evidenz gefehlt hat. Notwendig ist, dass die Daten auch nach Markteintritt systematisch erhoben werden, um die Evidenz zu Wirksamkeit und Sicherheit zu verbessern. Gentherapien gehören zu den Therapien mit den höchsten Preisen; diese können mehr als USD 2 Mio. betragen. Lösungen im Rahmen der Preisfestsetzung und Kostenübernahme von Gentherapien sind notwendig, damit tatsächlich alle betroffenen Patientinnen und Patienten nachhaltigen Zugang zu den Gentherapien erhalten werden. Mögliche Lösungsansätze sind sorgfältig durchdachte und transparente Preismodelle, bei denen der Therapieerfolg und/oder die vorhandene Evidenz berücksichtigt werden, eine größere Verantwortung der Forschungseinrichtungen und ein stärkerer Fokus auf die Kosteneffektivität.
Kerstin Noëlle Vokinger
4. Überblick über Maßnahmen zur Förderung des Einsatzes von Biosimilars in europäischen Ländern
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Biosimilars gelten als ein vielversprechender Ansatz, um leistbaren und nachhaltigen Zugang zu biologischen Arzneimitteln zu ermöglichen. Um den Einsatz von preisgünstigeren Biosimilars zu fördern, wenden europäische Länder unterschiedliche Marktsteuerungsmechanismen an, die zum einen am Angebot (Preise) und zum anderen an der Nachfrage nach Biosimilars (an Ärztinnen und Ärzte, Apotheker:innen sowie Patientinnen und Patienten gerichtete Maßnahmen) ansetzen. Ein Überblick über relevante Maßnahmen in 30 europäischen Ländern zeigt bei einigen, aber nicht allen Maßnahmen ähnliche Zugänge der Länder, bei anderen Maßnahmen haben Länder unterschiedliche Wege gewählt. Deutschland zählt zu der Minderheit der europäischen Länder, die keine Preis-Link-Politik anwenden, bei welcher die Preise von Biosimilars (wie auch für Generika) als Abschlag des Preises des Referenzarzneimittels festgelegt werden. Die Mehrzahl der europäischen Länder nutzen ein Festbetragssystem, und eine Reihe von Ländern haben mittlerweile Biosimilars darin aufgenommen. Wirkstoffverordnung ist in den europäischen Ländern weit verbreitet, allerdings sind des Öfteren Biologika ausgenommen. Die Verschreibung von Biosimilars wird bei bio-naiven Patienten im Allgemeinen empfohlen, und ein Switch von dem Referenzarzneimittel auf das Biosimilar ist in vielen Ländern unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Die Substitution von Biologika auf Apothekenebene wurde bislang nur in wenigen europäischen Ländern eingeführt, aber ist im Kommen. Evidenz über das Einsparpotenzial durch den Biosimilar-Einsatz liegt in einer Reihe von Studien vor, allerdings wird dieses im Allgemeinen nicht im Zusammenhang mit einzelnen Maßnahmen analysiert. Eine Ausnahme sind zum Teil Ausschreibungen, die in der Lage sind, Preise von biologischen Arzneimitteln im patentabgelaufenen Markt maßgeblich zu senken. Allerdings ist es relevant, Ausschreibungen strategisch gut auszugestalten, um auch Versorgungssicherheit zu wahren. Zu nachfrageseitigen Maßnahmen liegt nur wenig Evidenz vor. Einige Good-Practice-Beispiele zeigen die Bedeutung eines Mix aus angebots- und nachfrageseitigen Maßnahmen, um Biosimilars zu fördern und die daraus entstehenden Vorteile zu generieren.
Sabine Vogler, Stanislava Dicheva-Radev, Dimitra Panteli, Reinhard Busse

Maligne Erkrankungen

Frontmatter
5. Hämatologische Neoplasien und solide Tumore
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Das höchste Verordnungsvolumen unter den Onkologika haben erstmals in 2022 die monoklonalen Antikörper (30 %), gefolgt von den Hormonantagonisten zur Behandlung des Mammakarzinoms und des Prostatakarzinoms, auf die 25 % der definierten Tagesdosen (DDD) entfallen (Tab. 5.1). An dritter Stelle stehen die klassischen Zytostatika (22 %) mit der führenden Gruppe der Antimetabolite, was vor allem auf den häufigen Verordnungen von 5-Fluorouracil beruht. Als nächste Gruppen folgen Proteinkinaseinhibitoren, deren Verordnungsvolumen erneut leicht um 8,3 % gegenüber 2021 zugenommen hat. Führende Gruppe der monoklonalen Antikörper sind erneut Antikörper gegen PD-1-Rezeptoren und PD-L1-Liganden, die für ein stetig wachsendes Spektrum von onkologischen Indikationen zugelassen sind, gefolgt von HER2-Antikörpern zur Behandlung des HER2-positiven Mammakarzinoms. Die inzwischen verfügbaren 4 Biosimilars zu Trastuzumab übertreffen wie auch bereits in 2021 deutlich das Verordnungsvolumen des Originalpräparats (Herceptin). Führende Vertreter der Proteinkinaseinhibitoren hinsichtlich ihres Verordnungsvolumens sind die CDK-Inhibitoren für die Behandlung des hormonrezeptorpositiven, fortgeschrittenen Mammakarzinoms (4,2 Mio. DDD), gefolgt gleichauf (jeweils 3,5 Mio. DDD) von den BCR-ABL-Tyrosinkinaseinhibitoren zur Behandlung der chronischen myeloischen Leukämie sowie die Rezeptor-Tyrosinkinaseinhibitoren zur Behandlung u. a. des nicht-kleinzelligen Lungenkarzinoms, des Nierenzellkarzinoms, von gynäkologischen Tumoren (Mamma- bzw. Ovarialkarzinom) und Weichteilsarkomen, aber auch von nicht malignen Erkrankungen (z. B. idiopathische Lungenfibrose, interstitielle Lungenerkrankung). Einen Anstieg der Verordnungen zeigen auch die Bruton-Tyrosinkinaseinhibitoren, insbesondere Acalabrutinib zur Behandlung der chronischen lymphatischen Leukämie bzw. niedrig-maligner Lymphome (z. B. M. Waldenström), der Januskinaseinhibitor Ruxolitinib, die BRAF-/MEK-/, ALK- sowie die PARP-Inhibitoren sowie der BCL-2 Inhibitor Venclyxto. Weitere Proteinkinaseinhibitoren werden eingesetzt vor allem zur Behandlung der primären Myelofibrose (MF) und der nach Polycythämia Vera bzw. Essenzieller Thrombozythämie auftretenden MF.
Wolf-Dieter Ludwig, Arnold Ganser, Georg Maschmeyer

Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Frontmatter
6. Arterielle Hypertonie
Zusammenfassung
Auf einen Blick
In diesem Kapitel werden die Antihypertonika gemeinsam auf der Basis der aktuellen Empfehlungen zur antihypertensiven Therapie dargestellt. Damit werden die früher getrennten Kapitel zu Hemmstoffen des Renin-Angiotensin Systems, Calciumkanalblockern, β-Adrenozeptor-Antagonisten (Betablocker) sowie speziellen Antihypertonika wie α-Adrenozeptor-Antagonisten und zentral wirkenden Antisympathotonika zusammengeführt. Dies trägt der Tatsache Rechnung, dass es sich bei der antihypertensiven Therapie um eine in alle Bereiche der kardiovaskulären Medizin reichende Basistherapie handelt, die einen integrierten Ansatz erfordert. Die als Antihypertonika ebenfalls wichtigen Diuretika und Aldosteronrezeptorantagonisten werden gesondert in Kap. 34 besprochen. Zusätzlich wird auf unvermeidbare Überschneidungen mit den Kardiaka in Kap. 7 verwiesen.
Thomas Eschenhagen, Joachim Weil
7. Herzerkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Herzglykoside werden in der Therapie der chronischen Herzinsuffizienz zunehmend von der aktuell empfohlenen Leitlinienmedikation inklusive Sacubitril und Valsartan verdrängt. Nitrovasodilatatoren (Nitrate und Molsidomin) gehen in ihren Verordnungen kontinuierlich zurück, während sich Ivabradin und Ranolazin auf niedrigem Niveau stabilisiert haben. Die Abnahme in dem Gesamtsegment ist wahrscheinlich der Abnahme von Patienten mit stabiler Angina pectoris geschuldet. Antiarrhythmika werden vor allem bei Vorhofflimmern mit einem über die letzten Jahre stabil niedrigen Volumen verordnet. Die in der Therapie der Herzinsuffizienz zentralen ACE-Hemmer, Angiotensinrezeptorantagonisten und β-Adrenozeptor-Antagonisten werden in Kap. 6 (Antihypertonika), SGLT2 Inhibitoren in Kap. 10 (Antidiabetika) und Aldosteronrezeptorantagonisten in Kap. 34 (Diuretika) besprochen.
Herztherapeutika umfassen Antiarrhythmika, Koronarmedikamente und Kardiaka inklusive Sacubitril/Valsartan, dessen Verordnungen 2022 trotz hoher Therapiekosten weiter stark zugenommen haben und inzwischen die der Herzglykoside bei weitem übersteigen. Die Klassifikation orientiert sich primär an therapeutischen Kriterien und weniger an pharmakologischen Effekten, weil Nitrate, Molsidomin und auch Sacubitril/Valsartan ihren Hauptangriffspunkt nicht am Herzmuskel oder den Koronargefäßen, sondern an peripheren Gefäßen haben bzw. in die neurohumorale Systemkontrolle eingreifen. Die Zusammenfassung folgt dem ATC-System der WHO.
Thomas Eschenhagen, Joachim Weil

Blut und Gerinnung

Frontmatter
8. Anämien
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Der größte Teil der Verordnungen von Antianämika entfällt weiterhin auf Eisenpräparate, gefolgt von Folsäure und Epoetinpräparaten mit jeweils deutlich geringeren Verordnungsvolumina. Seit 2013 nahmen die Verordnungszahlen aller drei Gruppen der Antianämika zu. Das Beispiel der Herzinsuffizienz zeigt, dass sich die Korrektur eines Eisenmangels auch auf Begleiterkrankungen positiv auswirkt. Bereits 2021 wurde mit Roxadustat ein Inhibitor der HIF-PH (Hypoxie-induzierbarer Faktor-Prolylhydroxylase) zugelassen, der wie Epoetine die Erythropoese stimuliert, aber oral verfügbar ist. 2023 folgte die EU-Zulassung von Vadadustat und die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) hat sich kürzlich für die Zulassung von Daprodustat ausgesprochen, das wie die beiden anderen HIF-PH-Inhibitoren bei renaler Anämie zum Einsatz kommen soll.
Jan Matthes
9. Antithrombotische Therapie
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Gesamtverordnungen der Thrombozytenaggregationshemmer sind 2022 gegenüber dem Vorjahr gering gesunken, die der oralen Antikoagulantien absolut im gleichen Maße wie im Vorjahr weiter angestiegen.. Die Verordnungen der Vitamin-K-Antagonisten nahmen auch 2022 weiter deutlich ab, während die der Thrombin- und Faktor Xa-Antagonisten gegenüber 2021 nochmals um knapp 10 % zugenommen haben. Der Verordnungsanteil der Vitamin-K-Antagonisten an allen oralen Antikoagulantien beträgt jetzt nur noch 13,6 %. Die Kosten aller Antithrombotika sind 2022 auf 3.004 Mio. € gestiegen. Der Anstieg gegenüber 2021 um 6,2 % ist auch diesmal allein durch die neuen direkten oralen Antikoagulantien bedingt. Bei den Antihämorrhagika sind die Faktor-VIII-Präparate die umsatzstärkste Gruppe. Modifizierte rekombinante Gerinnungsfaktoren sowie ein monoklonaler Antikörper (Emicizumab) als Faktor VIIIa-Mimetikum erweitern die Therapieoptionen bei Patienten mit angeborener Hämophilie A oder B.
Hans Wille

Erkrankungen des Stoffwechsels und des Gastrointestinaltraktes

Frontmatter
10. Diabetes mellitus
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Arzneitherapie des Diabetes mellitus hat in den letzten zehn Jahren weiter zugenommen. Insulinverordnungen stagnierten lange Zeit. Sie sind seit drei Jahren rückläufig, da bei kontinuierlichem Rückgang der Humaninsuline jetzt auch Insulinanaloga weniger verordnet wurden. Auch die Metforminverordnungen stagnierten seit 2013, sind aber in den letzten fünf Jahren wieder angestiegen. Die Sulfonylharnstoffverordnungen sind seit 2013 etwa um zwei Drittel zurückgegangen. Die Verordnungen der DPP-4-Hemmer sind 2022 leicht zurückgegangen. Glinide sind nur noch mit einer Substanz vertreten. SGLT-2-Inhibitoren und GLP-1-Agonisten werden in der aktuellen Nationalen Versorgungsleitlinie aufgrund der Ergebnisse kardiovaskulärer Endpunktstudien für Typ-2-Diabetespatienten mit kardiovaskulären Risiken empfohlen, bei Patienten mit manifesten kardiovaskulären Erkrankungen sogar (in Kombination mit Metformin) als Erstlinientherapie. Zum Einsatz von SLGT2-Inhibitoren bei Herzinsuffizienz mit und ohne Diabetes wird auf Kap. 6, 7 und 34 verwiesen. Die Studiendaten haben vermutlich dazu beigetragen, dass sowohl SGLT-2-Inhibitoren als auch GLP-1-Agonisten 2022 jeweils erneut um 40 % mehr verordnet wurden.
Marc Freichel, Andreas Klinge
11. Lipidstoffwechselstörungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die Verordnungen von Pharmaka zur Behandlung von Lipidstoffwechselstörungen sind erneut um etwa 10 % innerhalb eines Jahres angestiegen. Die Verordnungszahlen haben sich im Vergleich zum Jahr 2013 nahezu verdoppelt.
Den größten relativen Zuwachs im Vergleich zu den vorigen Jahren zeigen Präparate mit dem ACL-Inhibitor Bempedoinsäure (+138 %), gefolgt von Ezetimib-haltigen Präparaten (+30,6 %) und den PCSK9-Inhibitoren (+32,5 %), wobei das Verordnungsvolumen der teuren PCSK9-Inhibitoren insgesamt niedrig bleibt und die PCSK9-Inhibitoren in dieser Hinsicht bereits durch den neuesten lipidmodulierenden Arzneistoff Bempedoinsäure überholt worden sind. Bei den Statinen (Zuwachs +8,2 %) hält der Trend zur Verordnung von Atorvastatin und Rosuvastatin an. Simvastatin, Pravastatin und Lovastatin verlieren weiter an Marktanteilen.
Bewertung Die Statine haben 2022 ein Verordnungsvolumen erreicht, das die tägliche Behandlung von 9 Mio. Patienten mit Standarddosierungen ermöglicht. Alle übrigen lipidsenkenden Arzneistoffe müssen sich bezüglich ihrer Effekte auf patientenrelevante Endpunkte an den Statinen messen lassen. Bisher überzeugen sie in den klinischen Studien aber überwiegend bei Surrogatvariablen und sekundären klinischen Endpunkten.
Bastian Schirmer, Jochen Schuler
12. Magen/Darm- und Lebererkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Zu den Magen-Darm-Medikamenten werden verschiedene Arzneimittelgruppen zur Behandlung von Krankheiten des Gastrointestinaltrakts gezählt. Protonenpumpeninhibitoren (PPI) haben hierbei gemessen an den definierten Tagesdosen (DDD) mit 3,8 Mrd. Tagesdosen mit Abstand das größte Verordnungsvolumen, gefolgt von Laxanzien, intestinalen Antiphlogistika, Prokinetika und Carminativa, Lebertherapeutika, Pankreatin und Antidiarrhoika. Für die PPI zeigt sich im Jahr 2022 im Vergleich zu 2021 ein nahezu konstant hohes Verordnungsvolumen (+0,7 %). Die Verordnung von PPI erreichte im Jahr 2016 ihren Höchstwert und steigt nach einem Rückgang in 2017 tendenziell jährlich an. Wie auch in 2021 sind in 2022 für den Antikörper Vedolizumab weitere Verschreibungszunahmen berichtet. Die Verordnung der Pankreatinpräparate hat leicht zugenommen. Geringe Verordnungsvolumina entfallen auf Antidiarrhoika und Laxanzien. Die reale Medikation kann hier vor dem Hintergrund der Tatsache, dass z. B. Laxanzien nur für spezielle Indikationen rezeptiertbar sind, höher sein.
Hervorzuheben ist eine deutlich angestiegene Verordnung von Hepatitis B Medikamenten (+27,6 %), im Besonderen Tenofovirdisoproxil (+157,7 %) im Jahr 2022 im Vergleich zum Jahr 2021. Dies geht einher mit einer deutlich erhöhten Meldungsrate an Hepatitis B Infektionen in Deutschland.
Kilian Bock, Roland Seifert
13. Gicht
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Die spezifische Arzneitherapie der Gicht umfasst Xanthinoxidasehemmer, Colchicin und Benzbromaron. Standardarzneistoff für die chronische Gicht ist Allopurinol, auf das 86 % aller Verordnungen entfallen. Der zweite, etwas teurere Xanthinoxidasehemmer Febuxostat weist keine relevanten Vorteile gegenüber dem bewährten Allopurinol auf. Ein 2019 erschienener Rote-Hand-Brief warnte vor kardiovaskulären Risiken von Febuxostat. Den vorübergehenden Verordnungsrückgang in 2020 machte das Präparat 2021 wieder wett und erreichte 2022 eine leichte Steigerung. Das beim akuten Gichtanfall einzusetzende Colchicin ist 2022 deutlich häufiger verordnet worden als im Vorjahr. Dies gilt nicht für das Urikosurikum Benzbromaron. In 2022 erscheint es als Monopräparat mit deutlichem Verordnungsrückgang gerade eben unter den 3.000 am häufigsten verordneten Arzneimitteln.
Bernd Mühlbauer
14. Osteoporose, Calcium- und Phosphatregulation
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Hauptvertreter der Osteoporosearzneistoffe sind Bisphosphonate, die in der Onkologie auch zur symptomatischen Behandlung von Knochenmetastasen eingesetzt werden. Nach mehrjährigem Rückgang bleiben die Verordnungszahlen der Bisphosphonate seit 5 Jahre auf etwa gleichem Niveau. Leitsubstanz dieser Arzneistoffgruppe ist Alendronsäure, auf die fast 70 % des Verordnungsvolumens entfallen. Risedronsäure, Ibandronsäure und Zoledronsäure haben deutlich kleinere Anteile. Mit Abstand folgen Denosumab, das allerdings stetig zunimmt, und das kaum verordnete Raloxifen. Die optimale Dauer der Therapie der Osteoporose ist unbefriedigend geklärt und bleibt Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion.
Calciumpräparate werden mit seit Jahren konstanter Verordnungsabnahme weiterhin als Basistherapeutika vor allem in Kombination mit Vitamin D eingesetzt, auch wenn sie nur einen bescheidenen Effekt auf die Frakturrate haben und vor allem bei Vitamin-D-Mangel wirksam sind. Weitere Calciumpräparate sind als Phosphatbinder zur Behandlung der Hyperphosphatämie bei Hämodialysepatienten von Bedeutung.
Bernd Mühlbauer
15. Vitamine und Mineralstoffpräparate
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Vitamin-D-Verordnungen hatten in den Jahren 2020 und 2021 deutlich zugenommen, was in erster Linie mit dem angeblichen Nutzen gegen eine SARS-CoV-2-Infektion zusammenhängt. Dieser Trend kehrte sich 2022 zwar um, aber die Vitamin-D-Verordnungen blieben 2022 auf einem deutlich höheren Niveau als vor der Corona-Pandemie. Die Verordnungen von Vitamin-B12-Präparaten und fragwürdigen Vitaminkombinationen (oft mit Vitamin D) sind deutlich angestiegen, ohne dass dafür ein medizinischer Grund erkennbar wäre. Bei den Verordnungen von Kalium-, Magnesium- und Selenpräparaten setzte sich der Negativtrend der letzten Jahre fort.
Bewertung Colecalciferol wird zur Rachitisprophylaxe und zur Behandlung der Osteoporose eingesetzt, während die Metaboliten Alfacalcidol und Calcitriol insbesondere bei Dialysepatienten indiziert sind. Eine generelle Supplementierung von Vitamin D in der Primärprävention führt in der Allgemeinbevölkerung zu keinen gesundheitlichen Vorteilen und ist daher überflüssig. Vitamin B12 wird vorwiegend in der parenteralen Therapie schwerwiegender Vitaminmangelzustände wie der perniziösen Anämie eingesetzt. Kaliumpräparate dienen der Korrektur eines höhergradigen Kaliummangels. Magnesiumpräparate sind bei Magnesiummangel indiziert, der aber bei der weiten Verbreitung von Magnesium in der Nahrung bei üblicher Kost selten ist. Gleiches gilt für den Selenmangel.
Roland Seifert

Infektionserkrankungen

Frontmatter
16. Bakterielle und virale Infektionserkrankungen und Mykosen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Die Verordnung von antibakteriell wirkenden Arzneimitteln zeigen 2022 gegenüber den beiden Vorjahren (Pandemie) wieder eine Zunahme und liegen von der Gesamtmenge her fast wieder im präpandemischen Bereich. Die Zunahme gegenüber 2021 ist stark bei den Betalactamantibiotika, darunter Oralpenicillin (+42 %), Amoxicillin (+39 %), Amoxicillin/Clavulansäure und Oralcephalosporinen. Auch bei Makroliden kam es zu einer deutlichen Wiederzunahme der Verordnungen (+65 %). Diese Veränderungen sind auf die Zunahme von Atemwegsinfektionen, aber auch den besseren Zugang zu ärztlicher Versorgung 2022 im Vergleich zum Vorjahr zurückzuführen. Ein leichter Anstieg im Vergleich zu 2019 findet sich bei Pivmecillinam, während sonstige Arzneistoffen, die typischerweise bei Harnwegsinfektionen verordnet werden, in ähnlicher Menge verordnet wurden. Eine leichte Verordnungszunahme im Vergleich zum Vorjahr zeigen die Fluorchinolone (+13 %), die allerdings deutlich weniger als 2019 verordnet wurden. Keine wesentlichen Änderungen werden bei den Verordnungen von Tetracyclinen sowie von Antimykotika und antiviralen Arzneistoffen beobachtet.
Winfried V. Kern

Schmerz, Entzündung und Immunsystem

Frontmatter
17. Symptomatische Behandlung von Schmerz, Fieber und Entzündung
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Die ärztliche Verordnung von Schmerzmitteln hat seit 2013 kontinuierlich zugenommen. Dies betrifft Opioidanalgetika (+28 %) und – etwas deutlicher – nichtopioide Analgetika (+52 %). Dabei muss berücksichtigt werden, dass nicht verschreibungspflichtige, nichtopioide Analgetika nur in Sonderfällen zu Lasten der GKV verschrieben werden können. Die Verordnungsdaten spiegeln hier daher nur einen Teil der gesamten Exposition von Patienten gegenüber nichtopioiden Analgetika wider.
Über die Hälfte der Opioidverordnungen entfällt auf die beiden ohne BtM-Rezept verschreibungsfähigen Wirkstoffe Tramadol und Tilidin/Naloxon. Führende Mittel der starkwirksamen Opioide sind Fentanylpflaster und Oxycodon sowie Hydromorphon, während die seit Jahren rückläufige Verordnung von Morphin sich stabilisiert hat. Einige Opioide (Methadon, Levomethadon, Buprenorphin) werden auch in der Substitutionsbehandlung opioidabhängiger Personen eingesetzt.
Bei den nichtopioiden Analgetika ist ein auffälliger Wandel eingetreten. Acetylsalicylsäure und Paracetamol werden nur noch selten ärztlich verordnet, während etwa 95 % aller Verordnungen nichtopioider Analgetika auf das rezeptpflichtige Metamizol entfallen, obwohl dieses Medikament ein epidemiologisch relevantes Agranulozytoserisiko hat.
Rainer Böger, Renke Maas
18. Migräne
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Unter den 3.000 meistverordneten Arzneimitteln finden sich „Triptane“ als für die Behandlung von Migräneattacken zugelassene Agonisten an Serotoninrezeptoren (5-HT1B/D) sowie für die Migräneprophylaxe zugelassene Antagonisten gegen CGRP (Fremanezumab, Galcanezumab) bzw. den CGRP-Rezeptor (Erenumab). Unter den meistverordneten Triptanen hat die Leitsubstanz Sumatriptan mit etwa 60 % der Verordnungen immer noch das höchste Verordnungsvolumen, das für die Triptane insgesamt weiter zugenommen hat. Sumatriptan zeichnet sich durch seine gut belegte therapeutische Wirksamkeit und sein breites Applikationsspektrum aus. Andere Triptane haben nur geringe klinische Vorteile, sind aber im Mittel immer noch teurer als Sumatriptangenerika.
Zur Migräneprophylaxe sollten zunächst β-Adrenozeptor-Antagonisten (Propranolol, Metoprolol), Flunarizin, Topiramat, Amitriptylin, Valproinsäure oder Onabotulinumtoxin A eingesetzt werden. Für die deutlich teureren Antikörper haben sich aber Zusatznutzen gezeigt. Ihre Verordnungszahlen sind weiter gestiegen. Erenumab ist bereits jetzt in der Erstlinie erstattungsfähig.
Jan Matthes, Katja Kollewe
19. Krankheitsmodifizierende Arzneistoffe für Autoimmunerkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Krankheitsmodifizierende Antirheumatika haben in der Verordnung erneut weiter zugenommen. Größte Gruppe sind die synthetischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika mit dem bevorzugt eingesetzten Methotrexat. Bei den biologischen krankheitsmodifizierenden Antirheumatika dominieren seit vielen Jahren die TNFα-Inhibitoren, deren Verordnungen in 2022 wieder vergleichsweise deutlich zugenommen haben. Auf niedrigerem Niveau zeigten der Interleukin-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab und Kostimulationsinhibitor Abatacept wieder geringe Zunahmen. Inzwischen sind zwei Januskinaseinhibitoren vertreten, die jedoch nach Publikation erheblicher Sicherheitsbedenken durch die amerikanische Zulassungsbehörde FDA in 2022 einen Einbruch der Verordnungshäufigkeit erfahren haben.
Rainer Böger, Renke Maas
20. Glucocorticoide und Mineralocorticoide
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Glucocorticoide werden überwiegend zur Entzündungshemmung und Immunsuppression eingesetzt, während die Hormonsubstitution mit dem Nebennierenrindenhormon Cortisol und dem Mineralocorticoid Fludrocortison nur einen kleinen Teil der Verordnungen betrifft. Der für die Jahre 2020 und 2021 beobachtete Verordnungsanstieg von Dexamethason wurde 2022 nicht mehr beobachtet. Dies bestätigt die in den vorhergehenden AVR-Ausgaben gemachte Aussage, dass der Verordnungsanstieg von Dexamethason vor allem auf den Einsatz des Arzneistoffs bei COVID-19-Patienten zurückzuführen war.
Roland Seifert
21. Immunglobuline und Immunsuppressiva
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Humane Immunglobuline sind präformierte Antikörper zur Substitutionstherapie bei Immunmangelkrankheiten und zur Immunmodulation bei speziellen seltenen Krankheiten. Die Prävalenz dieser Erkrankungen kann nicht das über die GKV abgerechnete Verordnungsvolumen der Immunglobuline erklären. Der Umsatz insgesamt ist sogar höher, da es zusätzlich zum Apothekenvertriebsweg Direktlieferverträge der Krankenkassen mit Krankenhäusern und Spezialambulanzen gibt. Daher ist ein sehr hoher Off-Label-Use der Immunglobuline anzunehmen.
Immunsuppressiva werden zur Prophylaxe der Abstoßungsreaktion nach Organtransplantation und bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen eingesetzt. Größte Gruppe sind die zytotoxischen Immunsuppressiva (Azathioprin, Mycophenolsäure), gefolgt von den Calcineurininhibitoren (z. B. Ciclosporin, Tacrolimus) und mTOR-Inhibitoren (Everolimus, Sirolimus).
Bernd Mühlbauer, Wolf-Dieter Ludwig

Erkrankungen des Nervensystems und der Augen

Frontmatter
22. Depression, Angststörungen, bipolare Störung, Schizophrenie, Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Mit über 2 Mrd. DDD stellen die sog. „Psychopharmaka“, also Arzneistoffe zur Behandlung der Depression, von Angststörungen, der bipolaren Störung und der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS), eine der meist verordneten Arzneimittelgruppen dar. Dabei sind die seit vielen Jahren beobachteten Zuwächse mitunter auf steigende Verordnungen und Indikationsausweitungen von „Antidepressiva“ zurückzuführen sowie geringere Zunahmen bei den „Antipsychotika“. Dagegen nehmen die Verordnungen von Arzneimitteln mit sedierender und anxiolytischer Wirkung („Tranquillanzien“) seit langem kontinuierlich ab.
Johanna Seifert, Stefan Bleich, Roland Seifert
23. Multiple Sklerose
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Spektrum Zur Behandlung der multiplen Sklerose werden krankheitsmodifizierende Immuntherapeutika und symptomatisch wirkende Arzneistoffe eingesetzt. Die Verordnung von Beta-Interferonen für die Behandlung der schubförmig-remittierenden multiplen Sklerose geht seit Jahren zu Gunsten anderer Arzneistoffe (insbesondere Dimethylfumarat, Glatirameracetat, Teriflunomid, Ocrelizumab und Natalizumab) zurück. Den stärksten Verordnungsschub verzeichnete Siponimod.
Als Muskelrelaxanzien (Antispastika) stehen Baclofen, Tizanidin und Botulinumtoxin bei der symptomatischen Behandlung der multiplen Sklerose im Vordergrund. Die Verordnungszahlen für das Cannabinoidpräparat Nabiximols sind deutlich angestiegen. Erstaunlicherweise wurden auch Muskelrelaxanzien mit unzureichender Beleglage (z. B. Chininsulfat, Methocarbamol, Pridinol) wie auch schon 2021 deutlich häufiger verordnet. Dies ist unter dem Aspekt der evidenzbasierten Medizin nicht nachvollziehbar und sehr kritikwürdig.
Kosten Der weitaus größte Teil der Kosten entfällt auf die Immuntherapeutika.
Friedemann Paul, Roland Seifert
24. Epilepsien
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Wichtige Vorbemerkung Gegenüber den letzten Jahren hat sich ein wichtiger terminologischer Unterschied ergeben. Da die entsprechenden Medikamente in aller Regel nicht die Krankheit Epilepsie als solche behandeln, sondern die Anfallsfrequenz verbessern, wird von der Deutschen Gesellschaft für Epileptologie e. V. nicht mehr die Verwendung der Bezeichnung „Antiepileptika“ empfohlen. Vielmehr werden in Übereinstimmung mit der internationalen Literatur die Bezeichnungen „anfallssuppressive Medikamente (Arzneistoffe)“ oder „Anfallssuppressiva“ verwendet (https://www.dgfe.org/fileadmin/user_upload/News/Stellungnahmen/Neue_Terminologie_26.02.23.pdf; zugegriffen am 04.09.2023). Diese Nomenklaturveränderung ist aus pharmakologischer Sicht sehr zu begrüßen. Auch im Medizinstudium ist der Begriff „Antiepileptika“ verlassen worden, weil etliche der in diesem Kapitel besprochenen Arzneistoffe wie Lamotrigin, Carbamazepin, Valproinsäure und Pregabalin auch bei anderen Indikationen außerhalb von Epilepsien eingesetzt werden (siehe Kap. 18 und 22 sowie Kap. 6 im AVR 2021). Aus traditionellen Gründen werden die „Anfallssuppressiva“ im Kapitel „Epilepsien“ behandelt. Allerdings muss dem Leser und Verordner bewusst sein, dass ein unbekannter Teil der Verordnungen nicht den Epilepsien zuzuordnen ist, sondern anderen Erkrankungen. Diese Indikationsunschärfe bei den Verordnungen kann mit den den Autoren zur Verfügung stehenden Daten leider nicht aufgelöst werden.
Christian Brandt, Roland Seifert
25. Morbus Parkinson
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Levodopapräparate sind die führenden Vertreter der Arzneistoffe zur Behandlung des Morbus Parkinson. An zweiter Stelle folgen die Dopaminrezeptoragonisten. Im Vergleich zu 2021 wurde 2022 ein leichter Anstieg der Verordnungszahlen von Levodopa-Präparaten beobachtet; möglicherweise eine Folge der Aufhebung der Coronamaßnahmen und verstärkter Arztbesuche älterer Patienten. Es verfestigt sich der langfristige, seit Jahren zu beobachtende Trend einer Präferierung der Levodopa-Präparate, deren Verschreibung einen kontinuierlichen Anstieg im 10-jährigen Beobachtungszeitraum aufweisen, relativ zu Dopaminrezeptoragonisten, die im selben Zeitraum nahezu gleich verordnet werden. Dies entspricht den internationalen Empfehlungen, die die früher befürchtete Neurotoxizität von Levodopapräparaten mittlerweile als nicht mehr gegeben aufweisen (Verschuur et al. 2019).
Bewertung Die Langzeittherapie mit Levodopa kann Dyskinesien und motorische Fluktuationen verursachen, die durch Dosisfraktionierung und adjuvante Therapie reduziert werden können. Alternativ werden bei jüngeren Patienten Dopaminrezeptoragonisten und bei leichteren Symptomen MAO-B-Inhibitoren als initiale Monotherapie empfohlen. Muskarinrezeptorantagonisten werden wegen der Beeinträchtigung kognitiver Fähigkeiten leitliniengerecht bei älteren Patienten immer seltener eingesetzt.
Günter Höglinger, Roland Seifert
26. Schlafstörungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend Schlafstörungen kommen in vielfältigen Formen und Ausprägungen vor. Zunehmend setzt sich bei ihrer Behandlung die Erkenntnis durch, dass nichtmedikamentöse Strategien im Vordergrund stehen sollten. Zahlreiche Studien und Metaanalysen zeigen, dass verhaltenstherapeutische Verfahren wirksam und insgesamt der Behandlung mit Hypnotika überlegen sind. Eine Therapie mit Hypnotika ist in aller Regel nur kurzfristig oder bei Versagen oder mangelnder Verfügbarkeit anderer Verfahren indiziert. Seit 25 Jahren ein starker Verordnungsrückgang zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen um 80 % zu beobachten. Die Rückgänge betrugen im vergangenen Jahr bei den Benzodiazepinen knapp 5 % und bei den Benzodiazepinrezeptoragonisten Zolpidem und Zopiclon 3 %. Die Verordnung von Melatonin, welches wenig untersucht und dessen Wirksamkeit weiterhin nicht belegt ist (Kennaway 2022), hat etwas zugenommen. Pflanzliche Hypnotika sind nur noch mit einem homöopathischen Präparat vertreten. Nicht abgebildet werden dabei die Höhe der Verordnungen auf Privatrezept sowie der Einsatz von sedierenden antidepressiven Arzneistoffen (Antidepressiva) wie Amitriptylin und antipsychotischen Arzneistoffen (Antipsychotika) wie Promethazin, welche bei einer vorliegenden Komorbidität wie Depression, Psychose oder einer chronischen Schmerzerkrankung Anwendung finden.
Agnes Krause, Roland Seifert
27. Schwindel und Erbrechen
Zusammenfassung
Übelkeit und Schwindel gehören zu den regelmäßig wiederkehrenden Beratungsanlässen in der Hausarztpraxis. Für Schwindel (Vertigo) oder Taumel (Dizziness) werden Häufigkeiten von 1,0 und 15,5 % genannt (Bosner et al. 2018). Nausea ist in zirka 1–1,6 % Anlass für Konsultationen (Frese et al. 2011; Britt und Fahridin 2007). Diese Symptome sind vielgestaltig, unspezifisch und, von einem hohen Sturzrisiko abgesehen, meist nicht bedrohlich, so dass deshalb zunächst symptomatisch wirkende Medikamente verordnet werden. Für eine gezielte Therapie ist aber eine genaue Analyse hilfreich. Dazu zählt auch, dass als erstes Arzneimittel abgesetzt werden sollten, die ursächlich für Übelkeit oder Schwindel sein könnten, um keine Verschreibungskaskade in Gang zu setzen.
Nausea ist allerdings in den Fachinformationen sehr vieler Arzneimittel als unerwünschte Arzneimittelwirkung genannt. So können auch antibakterielle Arzneistoffe (Antibiotika), nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR; Cyclooxygenase-Inhibitoren, COX-Inhibitoren), Digitalispräparate (Na+/K+-ATPase-Inhibitoren, NKA-Inhibitoren), Eisenpräparate oder orale Kontrazeptiva ursächlich sein (Jordan et al. 2009). In einigen Fällen können Übelkeit und Schwindel jedoch Symptome für eine ernste Erkrankung sein, deren Diagnose mit einer symptomatischen Behandlung nicht hinausgezögert werden sollte. Für eine Langzeitbehandlung werden die Antiemetika und Antivertiginosa nicht empfohlen, da sie die Anpassungsvorgänge des Körpers, z. B. bei Kinetosen, einschränken.
Klaus Hager, Roland Seifert
28. Demenzen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Größte Gruppe der Antidementiva sind die Acetylcholinesterase-Inhibitoren (Cholinesterasehemmer) gefolgt von dem NMDA-Rezeptorantagonisten Memantin, der aber nur etwa halb so viel verordnet wird. In beiden Gruppen sind nur noch Generika vertreten. Traditionelle Antidementiva (Piracetam, Ginkgoextrakt, Nicergolin) ohne gesicherten Nutzen werden immer noch verschrieben. Nicht mehr vertreten ist Riluzol, das v. a. zur neuroprotektiven Therapie der amyotrophen Lateralsklerose eingesetzt wird.
Bewertung Der symptomatische Nutzen der besprochenen Arzneistoffe ist insgesamt begrenzt. In der S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde und Deutschen Gesellschaft für Neurologie 2016 wird bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz die Gabe eines Cholinesterasehemmers in der höchsten verträglichen Dosis empfohlen; ebenso wird bei Krankheitsprogredienz eine Beibehaltung der Therapie empfohlen (Off-Label-Gebrauch).
Susanne Petri, Roland Seifert
29. Augenerkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Antiglaukomatosa sind, auf der ersten Stufe der Therapie des Glaukoms stehend, die häufigsten in der Ophthalmologie ordinierten Medikamente. Prostaglandinderivate und Carboanhydrasehemmen sind dabei in der Verwendung seit gut 10 Jahren kontinuierlich angestiegen, während die Verordnung von Betarezeptorenblockern weiter abnimmt und selektive Alpha-2-Agonisten konstant bleiben.
Weitere breite Anwendung finden ophthalmologischen Antiinfektiva und Antiphlogistika. Hier wirken sich die seit der Pandemie wechselnden Lieferengpässe besonders stark aus, so dass oft auf vielfältige Alternativen innerhalb dieser Indikationsgruppen zurückgegriffen werden muss.
Für die intravitreale, antineovaskuläre Therapie mittels Vascular Endothelial Growth Factor (VEGF)-Antikörpern sind nun Generika der ersten Generation vom VEGF-Antikörper Ranibicumab (Lucentis) erhältlich, während mehr als 2/3 der Verordnungen auf Aflibercept (Eylea) und nur etwas mehr als ein Prozent auf Brolicizumab (Beovu) entfallen. Als Alternative zu den VEGF-Antikörpern steht ein Dexamethason-Implantat (Ozurdex) zur Verfügung.
Die zur Behandlung des trockenen Auges eingesetzten, freiverkäuflichen Tränenersatzmittel sind sehr vielfältig und nur bei wenigen Indikationen erstattungsfähig. Im Jahr 2022 ist in der Augenheilkunde die Ordination der lokalen Antiinfektiva und Antiphlogistika, welche pandemiebedingt zuvor reduziert war, erneut angestiegen.
Erik Chankiewitz

Erkrankungen der Lungen und der Luftwege

Frontmatter
30. Husten und Auswurf
Zusammenfassung
Zusammenfassung
Antitussiva und Expektorantien werden hauptsächlich bei Husten im Rahmen einer akuten oder chronischen Bronchitis angewendet. Die häufigste Ursache einer akuten Bronchitis ist eine absteigende virale Infektion der oberen Atemwege, wie sie bei Erkältungskrankheiten und Grippe vorkommt. Chronische Bronchitis ist in Deutschland am häufigsten durch Rauchen bedingt. Seit dem Maximum von 940 Mio. DDD im Jahre 1995 (vgl. Arzneiverordnungs-Report 2004) sind die Verordnungen der Antitussiva und der Expektorantien um 90 % zurückgegangen. Hauptgründe sind die zweifelhafte Wirksamkeit und Sicherheit sowie die zunehmende Therapierbarkeit der Hustenursachen. Ein weiterer Faktor sind die 2004 eingeführten Einschränkungen der Erstattung. Aufgrund von Ausnahmen von diesen Einschränkungen für Kinder bis zu einem Alter von 12 Jahren dürften die in diesem Kapitel besprochenen Zahlen in einem erheblichen Maße die Verordnungen an diese Altersgruppe widerspiegeln. In welchem Ausmaß die Einschränkungen der Erstattung für ältere Patientinnen und Patienten durch Selbstzahlung kompensiert werden, ist unbekannt. Obwohl sie in einem Kapitel gemeinsam behandelt werden, sollen Antitussiva und Expektorantien nicht gleichzeitig eingenommen werden, da sich ihre Wirkungen gegenseitig neutralisieren können.
Leszek Wojnowski, Tom Schaberg
31. Asthma und Chronisch-obstruktive Lungenerkrankung
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die inhalativen Glucocorticosteroide sind seit vielen Jahren die größte Arzneimittelgruppe in der Asthmatherapie. Eine weitere wichtige Arzneimittelgruppe sind die Betasympathomimetika, die beim Asthma überwiegend in Kombination mit inhalativen Glucocorticosteroiden verordnet werden.
Bei chronisch obstruktiver Lungenkrankheit (COPD) werden bevorzugt inhalative langwirksame Muscarinrezeptorantagonisten und Betasympathomimetika, überwiegend in Kombination, eingesetzt.
Unabdingbar ist, dass der Patient durch eine ärztlich geführte Schulung (Einführung in die richtige Inhalationstechnik, Verwendung von Inhalationshilfen, Peak-Flow-Messungen, Dokumentation von Symptomen und Arzneimittelverbrauch) lernt, seine Erkrankung und ihre Behandlung zu verstehen, um einen optimalen Therapieerfolg zu erreichen.
Tom Schaberg, Leszek Wojnowski
32. Hals-Nasen- und Ohrenerkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Rhinologika werden lokal zur symptomatischen Behandlung der behinderten Nasenatmung bei Nasenschleimhautentzündungen und bei Rhinosinusitiden eingesetzt. Die weitaus größte Gruppe bilden die schleimhautabschwellenden Alphasympathomimetika (α1-Adrenorezeptoragonisten). Otologika werden zur lokalen antientzündlichen Therapie im Bereich des äußeren Ohres eingesetzt, ferner in Kombination mit einem Lokalanästhetikum in der symptomatischen Therapie von Ohrenschmerzen.
Bewertung Die topischen Sympathomimetika gehören zu den nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln und werden daher fast nur noch bei Kindern verordnet. Topische Glucocorticoide sind bei allergischer Rhinitis zuverlässig wirksam, ferner sind sie Bestandteil der konservativen Therapie der chronischen Rhinosinusitis mit und ohne Nasenpolypen. Für die Lokaltherapie der bakteriell bedingten Otitis externa diffusa steht mit dem Fluorchinolon Ciprofloxacin ein gut wirksames Antibiotikum (antibakterieller Arzneistoff) zur Verfügung. Die lediglich symptomatisch wirksamen Lokalanästhetikakombinationen zeigen eine Zunahme der Verordnungen; eine Zunahme der Verordnungen im HNO-Bereich zeigen die Arzneimittel zur Hyposensibilisierung. Dies ist auch bedingt durch die Zunahme allergischer Erkrankungen weltweit.
Horst Luckhaupt

Urologische Erkrankungen

Frontmatter
33. Erkrankungen der Harnwege und der Prostata
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Mit über 70 % der Verordnungen bleiben Prostatamedikamente die überwiegende Gruppe der Urologika. Urologische Spasmolytika repräsentieren mehr als ein Viertel des Verordnungsvolumens, während Urolithiasis- und Kathetermedikamente nur sehr geringe Verordnungszahlen erreichen.
Trend Die langjährige Zunahme des Verordnungsvolumens von Alpha1-Rezeptorenblockern zur Behandlung von Miktionsstörungen hat sich auch 2022 fortgesetzt, während die 5α-Reduktasehemmer zur Behandlung des benignen Prostatasyndroms seit einigen Jahren stagnieren. Der nach jahrelanger Plateauphase im Vorjahr beobachtete Verordnungsanstieg anticholinerg wirkender Spasmolytika zur Behandlung der Harninkontinenz hat sich 2022 sogar verstärkt; an der kontroversen Diskussion zum Ausmaß des therapeutischen Nutzens dieser Substanzen hat sich nichts geändert.
Bernd Mühlbauer, Hartmut Oßwald
34. Diuretika
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Trend An reinen Diuretika-Präparaten werden hauptsächlich Schleifendiuretika und Thiazide verordnet. Aldosteronantagonisten folgen mit deutlichem Abstand. Schleifendiuretika sind die dominierende Gruppe der Diuretika und machen auch 2022 fast zwei Drittel der verordneten Tagesdosen dieser Gruppe aus. Ihre Verordnungszahl bleibt seit Jahren praktisch unverändert, während die Thiazidkombinationen ihren seit über 10 Jahren zu beobachtenden Rückgang weiter fortsetzten. Der Einsatz von Spironolacton und dem zehnfach teureren Eplerenon nahm weiter zu, während die einzige noch hier gelistete Spironolacton-Furosemidkombination wieder rückläufig verordnet wurde.
Bewertung Die Verordnung von Diuretika ist nach wie vor ein fester Bestandteil der Therapie von Hypertonie, Herzinsuffizienz und Ödemen. Die Abnahme der Verordnungen von fixen Kombinationen von Thiaziden mit kaliumsparenden Diuretika spiegelt die Entwicklung der Pharmakotherapie der Herz-Kreislauferkrankungen wieder. Auch Aldosteronantagonisten gehören zur Standardtherapie der Herzinsuffizienz, wobei es keinen Beleg für einen patientenrelevanten Vorteil von Eplerenon gegenüber Spironolacton gibt.
Hartmut Oßwald, Bernd Mühlbauer

Hauterkrankungen und Allergien

Frontmatter
35. Hauterkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Seit Jahren verändert sich das Verordnungsspektrum der zahlreicher dermatologischer Wirkstoffklassen nur marginal. Wie in den Vorjahren werden topische Glukokortikoide am häufigsten verordnet. Auf sie entfallen 43 von 100 Dermatikatagesdosen. Antimykotika und Psoriasismedikamente (jeweils 11 %), Medikamente bei aktinischer Keratose und Aknemedikamente (jeweils 7 %), Antiinfektiva und Warzenmedikamente (jeweils 5 %), Wundbehandlungsmedikamente und Antipruriginosa (jeweils 4 %) sowie Rosazeamedikamente (3 %) werden deutlich seltener verordnet. Aufgrund der dem Arzneiverordnungs-Report zugrunde liegenden Systematik werden in den Tabellen zu den Dermatikaverordnungen wesentliche Veränderungen in der Therapie chronisch-entzündlicher Dermatosen nicht vollständig abgebildet. Dies betrifft die Verwendung monoklonaler Antikörper (Biologika) und systemisch und topisch angewendeten JAK-Inhibitoren bei der Behandlung schwerer Fälle von atopischer Dermatitis, Psoriasis, Alopecia areata und Vitiligo (Lauffer und Biedermann 2022; Griffiths et al. 2021).
Hans Merk, Stephan R. Künzel
36. Allergien
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Größte Gruppe der Antiallergika sind die allergenspezifischen Immuntherapeutika bei allergisch bedingten Atemwegskrankheiten mit einem Verordnungsanteil von 56 %. Danach folgen H1-Antihistaminika (H1-Rezeptor-Antagonisten), die vor allem zur Behandlung des Heuschnupfens, der allergischen Bindehautentzündung und der Urtikaria eingesetzt werden.
Trend Die Verordnungsvolumina der wenig sedierenden H1-Antihistaminika haben zugenommen, während die Verordnungen sedierender H1-Antihistaminika rückläufig sind. Das Einsparpotenzial bei den wenig sedierenden H1-Antihistaminika durch preisgünstige Generika beträgt 32 Mio. €. Bei der allergenspezifischen Immuntherapie entfällt der größte Teil auf Präparate mit Allergenen aus Gräser- und Getreidepollen. Im Jahr 2022 sind immer noch drei Präparate mit Nettokosten von 53 Mio. € ohne reguläre Zulassung unter den 3.000 am häufigsten verordneten Arzneimitteln vertreten.
Anette Zawinell, Roland Seifert

Hormonsystem

Frontmatter
37. Schilddrüsenerkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die häufigste Schilddrüsenerkrankung in Deutschland ist die Hypothyreose (ca. 5 % der Bevölkerung; subklinische und klinisch manifeste Hypothyreose zusammen). Die klinisch manifeste Hypothyreose kann mit dem Schilddrüsenhormon Levothyroxin effektiv und preiswert behandelt werden kann. Ca. 80 % der Verordnungen entfallen auf Levothyroxin, während 20 % der Verordnungen fragwürdige Kombination von Levothyroxin und Liothyronin oder Kaliumiodid betreffen. Es gibt deutliche Hinweise dafür, dass Schilddrüsenhormonpräparate in Deutschland zu häufig verordnet werden; insbesondere bei subklinischer Hypothyreose. Dadurch ergeben sich erhebliche Kosteneinsparpotenziale. Die Prophylaxe des endemischen Iodmangels mit Kaliumiodid spielt nur noch eine kleine Rolle. Die Hyperthyreose wird meist mit den Thyreostatika (Thyreoperoxidase-Inhibitoren) Carbimazol oder Thiamazol behandelt. Insgesamt gehören Schilddrüsentherapeutika in Deutschland zu den am häufigsten verordneten Arzneimitteln. Das Preisniveau für dieses große Indikationsgebiet ist niedrig und erfreulich stabil. aut-idem-Substitutionen bei Lieferengpässen führen nicht zu einer Verschlechterung der Therapie.
Trend. Die Verordnungen von Schilddrüsenhormonen steigen leicht an, während die Verordnungen von Thyreostatika und iodhaltigen Präparaten leicht rückläufig sind.
Roland Seifert
38. Sexualhormone
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die wichtigsten Gruppen der Sexualhormone sind Östrogenpräparate und Kontrazeptiva. Danach folgen mit weitem Abstand Gestagene. Die Verordnungen aller Östrogenpräparate zur Hormontherapie in der Postmenopause (systemische und topische Präparate) sind zunächst seit 1999 stark zurückgegangen und zeigen nach einem stabilen Niveau in den letzten Jahren wieder eine Steigerung der Verordnungszahlen, wenn auch ausschließlich bei Östrogenmonopräparaten. Die Verordnung von Östrogen-/Gestagenkombinationen zur HRT ist im Vergleich zum Vorjahr rückläufig. Somit haben die Leitlinienempfehlungen zur postmenopausalen Hormontherapie einen stärkeren Effekt als im Vorjahr erzielt. Die Verordnungen der kombinierten hormonalen Kontrazeptiva sind auch 2022 weiter rückläufig, wogegen Gestagenmonopräparate eine deutliche Zunahme verzeichnen. Absolut gesehen sind kombinierte hormonale Kontrazeptiva aber weiterhin die mit Abstand am häufigsten verordneten Kontrazeptiva. Androgenverordnungen sind auf hohem Niveau im Vergleich zum Vorjahr nicht weiter gestiegen.
Bewertung Die Verordnungen zur postmenopausalen Hormontherapie reflektieren eine gute Beachtung der Indikationsstellung basierend auf einer sorgfältigen Nutzen-Risiko-Bewertung, die leitlinienbasiert erfolgt (AWMF-Leitlinie Peri- and Postmenopause – Diagnosis and Interventions 2020). Hormonale Kontrazeption in jeder Variante behält weite Akzeptanz.
Thomas Strowitzki
39. Hypophysen- und Hypothalamushormone
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Verordnungsprofil Die Verordnungszahlen von Somatostatinanaloga und Vasopressinanaloga nahmen 2022 deutlich zu, während die Verordnungen von Gonadorelinantagonisten, Choriongonadotropin, Follitropin, Clomifen, Vasopressinantagonisten und Prolaktinhemmern rückläufig waren. Die Somatotropinverordnungen bleiben stabil.
Roland Seifert

Erkrankungen des Mundes und der Zähne

Frontmatter
40. Oral- und Dentalerkrankungen
Zusammenfassung
Auf einen Blick
Zahnärztliche Verordnungen nehmen nur einen Anteil von etwa 1 % an der Gesamtverordnungszahl in Deutschland ein. Dies entspricht etwa 0,9 % des gesamten Verordnungsvolumen (nach definierten Tagesdosen, DDD) in D und trägt zu 0,2 % der gesamten Nettokosten in Deutschland bei. Im Jahr 2022 wurde bei Verordnungen sowie im Verordnungsvolumen des zahnärztlichen Bereichs das Niveau von 2020 erreicht. Zahnärztlich verordnet werden hauptsächlich Arzneistoffe aus der Gruppe der antibakteriellen Arzneistoffe (Antibiotika), gefolgt von den Antiphlogistika, den Fluoridpräparaten und den Analgetika. Betrachtet man die DDD, dann handelt es sich dabei hauptsächlich um Fluoridpräparate, welche einen Anteil von ca. 83 % an der DDD ausmachen. Dabei sind fast ausschließlich topische fluoridhaltige Zahngele von Bedeutung. Danach folgt die Arzneimittelgruppe der Antibiotika und Antiinfektiva mit einem DDD-Anteil von ca. 7,0 % an der Gesamtzahl zahnärztlicher Verordnungen, wobei insbesondere Amoxicillin und Clindamycin eine prominente Rolle haben. Bei den ähnlich starken Antiphlogistika (DDD-Anteil von 6,9 %) ist Ibuprofen der mit Abstand wichtigste Arzneistoff. Der Anteil der Analgetika und topischen Lokalanästhetika an der DDD ist mit 0,4 % sehr klein. Etwa 2/3 entfallen dabei auf den Arzneistoff Metamizol, der in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat.
Monika Daubländer, Klaus Höcherl
Backmatter
Metadaten
Titel
Arzneiverordnungs-Report 2023
herausgegeben von
Wolf-Dieter Ludwig
Bernd Mühlbauer
Roland Seifert
Copyright-Jahr
2023
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-68371-2
Print ISBN
978-3-662-68370-5
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-68371-2

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